Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
kleine Weile schaute er fassungslos zu, wie die Wesmen durch die Straßen seiner Stadt stürmten und im
Laufen die Reste der Stadtwache niederkämpften. Planlos und ohne Wirkung wurden einige wenige Sprüche zur Abwehr eingesetzt. Nach dem Durchbruch geriet die ganze Verteidigungslinie ins Wanken, bis die Wesmen in großer Zahl vorrückten, um die Mauern des Kollegs niederzureißen. Er durfte nicht zulassen, dass es so weit kam.
Barras wandte sich an General Kard. Dem erfahrenen Soldaten liefen die Tränen übers Gesicht. Er legte dem Mann eine Hand auf die Schulter.
»General«, sagte er leise. »Lasst mich wenigstens das Kolleg retten.« Kard sah ihn an, erfasste mit einiger Verspätung, was der Magier gesagt hatte, und bewegte mit tief zerfurchter Stirn die Lippen, über die kein Wort kommen wollte.
»Das ist nicht möglich«, sagte er schließlich.
»Es ist möglich. Ich brauche lediglich Eure Befehlsgewalt.«
»Ihr habt sie«, sagte Kard sofort. Barras nickte und rief einen Adjutanten.
»Gebt Alarm und zieht die Wachen von draußen hinter die Mauern zurück. Die Kräfte an den Toren sollen vervierfacht werden. Wir berufen den Rat ein und gehen ins Herz des Turms. Wir werden sofort beginnen, einen Spruch zu wirken. Führt die Befehle unverzüglich aus.«
Der Adjutant warf Barras einen fragenden Blick zu und verdaute die Worte, mit denen er offensichtlich nicht gerechnet hatte.
»Sofort, Meister Barras.«
Barras blickte ein letztes Mal zu den Wehrgängen des Turms, zu den Mauern des Kollegs und zu den Straßen von Julatsa. Die Angreifer kamen wie eine Flutwelle, Panik breitete sich aus, und es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm.
Die Wesmen witterten den Sieg und heulten triumphierend, die Verteidiger versuchten vergeblich, ihre Kampfgefährten zusammenzurufen. Männer und Frauen rannten um ihr Leben. Als Alarm gegeben wurde – misstönende Glocken, die einen sehr auffälligen Klang hatten –, machte das Volk von Julatsa kehrt und rannte zu den Toren des Kollegs.
Barras murmelte eine stumme Entschuldigung und ein Gebet für jene, die draußen bleiben und sterben mussten. »Kommt mit, Kard. Das müsst Ihr nicht sehen.«
»Was soll ich nicht sehen?«
»Wir setzen den Dämonenschirm ein.« Er schritt zur Tür des Turms, die ihm von einem Helfer geöffnet wurde, und eilte hindurch, immer zwei Stufen auf einmal nehmend und eine Beweglichkeit an den Tag legend, die sein fortgeschrittenes Alter Lügen strafte.
Mit dem schnaufenden Kard im Schlepptau erreichte er das Herz des Turms, wo sich der Rat bereits versammelt hatte, und nahm seinen Platz im Kreis ein. Sein Atem ging nur geringfügig schneller. Wieder etwas, das Kard nicht verstehen konnte. Ein Magier musste körperlich in Hochform sein, ganz egal, wie alt er war. Man brauchte ein starkes Herz und einen gesunden Kreislauf, wenn man Sprüche wirken und danach sein Mana wieder aufbauen wollte.
»Wollt Ihr den Zugang bewachen, General Kard?«, fragte Barras.
»Es ist mir eine Ehre«, sagte der General. Er war unwillkürlich an der Tür stehen geblieben, denn die Kraft des Mana im Herzen des Turms war ihm nicht geheuer, auch wenn er sie nicht sehen konnte. Er verneigte sich vor dem Rat und schloss die Tür. Seine Gegenwart gewährleistete, dass die Magier nicht gestört wurden.
Das Herz des Turms von Julatsa war eine Kammer auf dem Niveau des umgebenden Geländes. Acht Segmente aus glatt poliertem Sandstein, die nach innen gekrümmt und in doppelter Mannshöhe miteinander verbunden waren, bildeten die Wände des Herzens. Auf dem Boden war eine Spirale eingezeichnet, die an der Tür begann und nach innen verlief, um im Zentrum zu enden. An dieser Stelle brannte das Mana-Licht. Es war so groß wie eine Kerzenflamme, doch es schwankte nie und warf keinen Schein. Nur ein Magier konnte die gelbe Flamme überhaupt sehen. Ein Nicht-Magier bemerkte überhaupt nichts.
Die anderen sieben Ratsmitglieder begrüßten Barras mit einem Nicken, als der Magier seine Position zwischen ihnen einnahm. Jeder stand direkt vor einem Segment der Sandsteinwand. Als Kard die Tür schloss, herrschte völlige Dunkelheit.
Barras spürte die Nervosität der anderen Ratsmitglieder, ob jung oder alt. Es war nicht sonderlich überraschend. Der Dämonenschirm war Julatsas schwierigster, gefährlichster und mächtigster Spruch. Nur zweimal war er bisher gewirkt worden, beide Male lange vor der Geburt der gegenwärtigen Ratsmitglieder. Beide Male in Situationen, in denen das
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