Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
als erwartet«, sagte Ilkar.
»Ich bin da nicht so sicher«, erwiderte der Unbekannte. »Sie bewegen sich zu langsam. Und schau dir Denser an.«
Ilkar konnte sehen, was er meinte. Obwohl die Wesmen gezielt die Kinder und die alten Leute ermordet hatten, war immer noch eine ganze Reihe von ihnen am Leben, und sie bremsten die Geschwindigkeit der Geretteten. Die Ältesten wurden von den Jüngeren gestützt, die allein viel schneller gewesen wären. Hinter ihnen übertönte Lallans Stimme die allgemeine Unruhe im Lager; er drängte die Leute und trieb sie an, sich schneller zu bewegen.
Denser flog unterdessen nach Westen und zeigte ihnen die Position der Wesmen, die sich dem Platz näherten.
Über den Dächern schwebte Denser, der seine Sicht magisch verstärkt hatte, und beobachtete Julatsa und vor allem die Gefahr, die dem Raben drohte. Im gesicherten Korridor gerieten die Julatsaner immer stärker unter Druck von den erwachenden, wütenden Wesmen. Auf ganzer
Länge brachen Kämpfe aus, als die Krieger der Besatzungstruppen sich gegen die Verteidiger des Kollegs wandten. Nirgends war die Situation bisher kritisch, doch im Osten und Westen konnte Denser Wesmen sehen, die aus Quartieren und Zelten strömten. Sie kamen aus Wohnhäusern, Schreibstuben und Gasthöfen gerannt, gürteten die Schwerter und stürzten sich in den Kampf. In der ganzen Stadt waren Alarmglocken zu hören.
Die Schwachstellen des Korridors waren die beiden Endpunkte und der südliche Markt, wo es freie Flächen gab und die Linie der Verteidiger weiter auseinander gezogen war. Glücklicherweise hatten die Wesmen diese Stellen noch nicht erreicht, denn sie wurden an den wichtigsten Zugängen von den Verteidigern aufgehalten. Feuer wurden entfacht und als Barrikaden eingesetzt. Die Julatsaner wussten ihre Ortskenntnis zu nutzen, und bisher waren weder der Kornspeicher noch das Kolleg angegriffen worden.
Doch im Süden und Westen näherten sich mehr als dreitausend Wesmen dem Platz. Sie marschierten gut organisiert, und bald würden sie den Raben und seine Schutzbefohlenen erreichen. Viel zu bald.
Unter Denser strömten immer noch die befreiten Julatsaner aus dem Kornspeicher, angetrieben von Hirad, dem Unbekannten und Ilkar, die heftig winkten. Ihre Rufe waren auch hoch in der Luft noch zu hören. Es dämmerte allmählich.
Denser stieß wieder hinab, schwebte über den rennenden Menschen und entschuldigte sich, als einige unter ihm zusammenzuckten oder stolperten.
»Hirad, die Wesmen werden jeden Augenblick auf den Platz stürzen, und sie sind bereit, dich in Stücke zu reißen. Sie sind höchstens noch eine Querstraße von den Eingängen
im Süden und Westen entfernt, und wir sind nicht genug, um sie im offenen Kampf aufzuhalten.«
Hirad zuckte mit den Achseln und deutete auf Erienne, die sich mit geschlossenen Augen konzentrierte.
»Dann haltet sie für uns auf«, sagte er. »Wir gehen erst, wenn dieser Speicher leer ist.« Er blickte wieder nach drinnen. »Es sind nur noch ein paar hundert.«
»Bei den Göttern, du lässt es wirklich darauf ankommen«, sagte Denser.
»Vor allem kommt es darauf an, dass ihr bald mal ein bisschen Feuer spuckt«, sagte Hirad. »Also flieg hoch und mach dich nützlich.«
Denser sah ihn böse an und stieg wieder auf. Er flog nach Südwesten.
»Los jetzt, beeilt Euch!«, rief Ilkar. Seine Stimme klang frustriert. Nur noch ein paar hundert Menschen waren im Speicher, und Hirad musste lächeln, obwohl er schon die gebrüllten Kommandos der anrückenden Feinde hörte.
»Ruhig, Ilkar. Es wird schon gut gehen.«
»Ich soll mich beruhigen? Eine Armee der Wesmen will uns abschlachten, wir stehen hinter einer Reihe von Kindern und Alten, die kaum kriechen können, und du verärgerst mit deinen Sticheleien den einzigen Mann, der sie aufhalten könnte. Sag du mir nicht, ich soll ruhig sein.«
»Ilkar«, ermahnte ihn der Unbekannte. »Du löst noch eine Panik aus, wenn du so weitermachst. Es ist gut, wenn sie schneller laufen, aber blindes Gerenne ist schlecht.« Der Unbekannte half einem zerbrechlichen Mann weiter und klopfte ihm auf die Schulter. »Gut so, nur weiter so. Die Zeit wird knapp. Ja, gut so.« Er beugte sich wieder zu Ilkar. »Vergiss nicht, wir sind der Rabe. Wenn wir ruhig bleiben, dann bleiben auch die Menschen ruhig.«
»Ich meinte ja nur, dass es eng wird, genau wie Denser sagte«, wandte Ilkar ein.
»Damit habt ihr beide natürlich Recht«, räumte der Unbekannte leise ein. »Aber wie
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