Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
dankbar eine Tasse Kaffee entgegen. Er freute sich über die Entscheidung, Wills Ofen zu behalten. Eine Weile vorher hatten sie festgestellt, dass die Pferde eher hinderlich als nützlich waren. Sie hatten die Tiere in einem bewaldeten Tal freigelassen und die Sättel, die Zügel, das Zaumzeug und alles andere, was sie nicht ohne weiteres tragen konnten, zerstört. Nach einer kurzen Debatte hatte Thraun sich Wills flach zusammengelegten Ofen auf die Schultern gepackt. Das Gewicht hatte ihn nicht einmal schneller atmen lassen. Jetzt waren sie alle dankbar für die Wärme, die der geschlossene Kasten ausstrahlte.
Der kleine Holzbrenner stand auf einem flachen Stein, die dünne Rauchwolke war vor dem bedeckten Himmel unsichtbar. Das Licht, das von der Glut im Ofen ausging, reichte nicht einmal aus, um ihre Gesichter zu beleuchten, und konnte keinesfalls ihre Position verraten. Noch fünf Stunden bis zum Morgengrauen.
»Wie weit sind wir noch vom Wasser entfernt?«, fragte Hirad.
»Etwa eine halbe Stunde, wenn wir schnell laufen, aber wenn wir an einer Stelle herauskommen wollen, wo wir sicher sind, müssen wir mit der doppelten Zeit rechnen. Wir sollten uns weiter nördlich halten, sonst werden wir entdeckt«, erklärte Thraun.
»Wie sieht es denn da draußen aus?«, wollte der Unbekannte wissen.
»Du wirst dir bald selbst einen Eindruck verschaffen können. Nahe am Wasser ist das Licht gar nicht so schlecht«, sagte Ilkar. »Wir müssen mit einem Lager von etwa dreihundert Mann rechnen. Sie sind in Zelten untergebracht, die sie, wie es bei den Stämmen üblich ist, in Halbkreisen um ihre Banner und Feuer angeordnet haben.
Drei Wachtürme sichern das Lager zur Landseite hin. Ein paar Zelte im Zentrum des Lagers enthalten wahrscheinlich Vorräte, die später über die Bucht transportiert werden sollen. Die Hauptroute verläuft im Süden. Wir müssen den nördlichen Zugang hinter dem äußersten Wachturm nehmen, aber es wird schwierig.«
Hirad nickte. »Gibt es Boote?«
»Reichlich. Angefangen von kleinen Seegelbooten bis zu mittelgroßen, seetüchtigen Schiffen ist alles vorhanden. Die Götter mögen wissen, woher sie die haben. Wir werden ohne Schwierigkeiten etwas finden, das wir nehmen können.«
»Wie ist die Lage am gegenüberliegenden Ufer?«, fragte Will.
»Ich denke, dort sind die Befestigungen stärker«, sagte Thraun, »aber so weit können wir nicht sehen. Wir segeln sowieso bis zum Goran-Wasserfall stromaufwärts, um allem zu entgehen, was sich dort drüben befinden mag.«
»Das wird auch unsere Reisezeit ein wenig verkürzen«, fügte der Unbekannte hinzu.
»Wie können wir da drüben Pferde bekommen?«, fragte Will.
»Wir haben zwei Möglichkeiten«, sagte Ilkar. »Entweder wir stehlen sie den Wesmen, oder wir hoffen, dass die Wachen am Triverne-See noch leben. Wenn man sich überlegt,
dass die Wesmen sich vor allem bemüht haben, Julatsa zu erreichen, ist das gar nicht so abwegig.«
Hirad rieb sich nachdenklich über den Mund. »Also gut, theoretisch ist das alles sehr schön. Jetzt zur praktischen Seite. Wie können wir ein Boot stehlen, ohne das Lager zu betreten?«
»Trink den Kaffee aus und komm mit, dann kannst du es dir selbst anschauen«, sagte Ilkar. »Thraun und ich haben uns etwas überlegt.«
Kurz danach lagen die Rabenkrieger nebeneinander auf dem Bauch und spähten einen langen, mit Farn bewachsenen Hang hinunter, der an der Bucht von Triverne zu Uferwiesen und zum Strand hin auslief. Im Süden erhob sich eine schroffe Klippe, und dahinter zeichneten sich die Blackthorne-Berge ab. Im Norden wurde das Gelände flacher. Dort lag, noch einen Tagesritt entfernt, die Nordküste.
Direkt vor ihnen war das Nachschublager der Wesmen. Es war still, nur in der Mitte brannte zwischen sechs im Kreis aufgebauten Zelten ein Feuer, an dem zahlreiche Wesmen saßen. Am Strand gab es weitere Feuer, in deren Schein die nebeneinander auf den Sand gezogenen Boote zu erkennen waren, doch ansonsten lag das Lager, abgesehen von dem durch Wolken gedämpften Mondlicht, in völliger Dunkelheit.
Das indirekte natürliche Licht gab der Landschaft einen verschwommenen bläulichen Schimmer, doch Hirad konnte die drei Wachtürme deutlich erkennen. Inzwischen wusste er auch, dass auf jedem zwei Wächter postiert waren, die im Notfall eine Glocke schlagen konnten. Der südliche Turm erlaubte einen guten Ausblick auf die Straße, die sich nach Süden schlängelte. Hinter dem Turm war eine Koppel mit Pferden
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