Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
Hellseher?«
»Etwas in der Art, ja«, bestätigte der Unbekannte kurz angebunden. »Hör mal, ich habe keine Zeit, darüber zu diskutieren. Hol mir einfach einen von den anderen.«
»Du wirst doch inzwischen keine Sachen machen?« Der Wärter kaute nachdenklich an der Unterlippe.
»Doch«, fauchte der Unbekannte. »Ich werde ein paar Witze erzählen. Bei den Göttern, Mann, hol mir einen aus Lystern her. Los doch!« Wieder ein Schlag an die Tür, der durchs ganze Gefängnis hallte.
Der Wärter wich zurück. »Ich mach das nur, weil ihr nicht hier drin sein solltet.«
»Danke.« Der Unbekannte sah ihm hinterher, bis Ilkar ihm die Hand auf die Schulter legte.
»Geht es dir jetzt besser?«, fragte der Elfenmagier.
Der Unbekannte drehte sich um und kämpfte das Lächeln nieder, das Ilkars Gesichtsausdruck ihm beinahe entlockt hätte.
»Es ist ernst. Darrick wollte nicht glauben, was ich gesagt habe. Er denkt wohl, er könne mit Xetesk reden und gegen die Protektoren siegen, wenn er muss, oder Erienne fortbringen, ehe sie hier sind. Aber die Tatsache, dass wir immer noch in diesem stinkenden Loch sitzen, bedeutet, dass er Graf Arlen noch nicht überzeugen konnte, ihn aufs Schiff zu lassen. Und jetzt sind die Protektoren nahe.«
»Wie nahe?«
»Ich bin nicht ganz sicher«, sagte der Unbekannte. »Aber sie sind nicht mehr weit von der Stadt entfernt. Sie sind in Kampfstimmung, deshalb konnte ich sie spüren. Es dröhnt in meinem Kopf.«
»Vielleicht sollten wir sie einfach ihre Arbeit tun lassen«, meinte Denser. »Erienne ist bei ihnen jedenfalls sicher.«
»Und die Todesopfer unter den Lysterniern stören uns nicht weiter, was?«, fragte Ilkar. »Sie sind ebenso Opfer der dordovanischen Intrigen wie wir. Ganz zu schweigen von den unschuldigen Opfern in Arlen.«
»Lystern hat sich auf die Seite Dordovers geschlagen«, entgegnete Denser. Seine Stimme kam immer noch aus dem Schatten.
»Du glaubst doch nicht, dass sie sich frei entschieden haben, oder?«, entgegnete Ilkar.
»Wir können nicht einfach hier herumsitzen und zusehen, wie Darrick da hineinstolpert«, sagte der Unbekannte. »Also, ich kann es jedenfalls nicht. Du kannst ja machen, was du willst.«
»Das wäre jedenfalls die schnellste Art, das ganze
Durcheinander aufzulösen«, murmelte der Xeteskianer. »Der schnellste Weg, wie ich wieder mit meiner Frau zusammenkomme.«
Der Unbekannte schenkte sich die Antwort, drehte sich wieder zur Tür um und wollte noch einmal rufen, hielt jedoch inne, als er den Magier vor sich stehen sah. Er war ein junger Mann und laut Darrick sehr begabt. Groß, kräftig und durchtrainiert, wie man es von einem Mann erwartete, der zur Kavallerie des Generals gehörte. Im Augenblick wirkte er allerdings recht verunsichert.
»Steht Ihr schon lange da?«, fragte der Unbekannte.
»Lange genug, glaube ich. Wo stolpert der General hinein?«
»Die Protektoren kommen«, sagte der Unbekannte. »Und Ihr müsst uns sofort hinauslassen.«
»Was wollt Ihr dann tun?«
»Vielleicht ein Gemetzel verhindern.« Der Unbekannte sah, dass der Magier nichts begriff. Ihm platzte fast der Kragen. »Oh, nein, nicht Ihr auch noch. Hört zu, auch die Protektoren sind hinter Erienne her, und das wird Darrick ihnen nicht ausreden können. Trotz seines bewundernswerten Selbstvertrauens und der ebenso bewundernswerten Disziplin seiner Kavallerie werden sie massakriert werden. Glaubt mir.«
»Wir unternehmen bereits die notwendigen Schritte. Der General ist zum Hafen unterwegs, und unsere dordovanischen Verbündeten sind ebenfalls im Anmarsch.«
»Dann weiß er, dass die Ankunft der Protektoren unmittelbar bevorsteht?«
Der Magier versuchte zu lächeln. »Nein, aber wir werden unsere Positionen bezogen haben, bis sie ankommen, und dann können wir mit ihren Herren reden. Bis dahin haben wir auch das Schiff zurückerobert, und …« Der
Magier biss sich auf die Zunge, aber es war ihm herausgerutscht, und auf einmal standen alle drei gefangenen Rabenkrieger vor ihm, der Unbekannte in der Mitte.
»Was meint Ihr mit ›zurückerobern‹?«, fragte Denser. In seinen Augen loderte wieder das wütende Feuer. »Wer hat das Schiff denn im Moment besetzt?«
»Das ist eine vorübergehende Situation«, wand sich der Magier.
»Wer hat es besetzt?« Der Unbekannte trat unten gegen die Tür, die gefährlich bebte.
»Wir glauben …« Der Magier hielt inne und überlegte, wie weit er gehen konnte. »Eine kleine Abteilung der Schwarzen Schwingen
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