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Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit

Titel: Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Heim boten.
    Als sie das Ende der Insel umrundet hatten, drehte das Schiff noch weiter ab und folgte einer Durchfahrt, die
kaum dreimal so breit wie der Rumpf war. Zu beiden Seiten erhoben sich jetzt kahle Klippen, über ihnen kreisten die Möwen oder hockten in Schwindel erregend hohen Nestern. Ihre schrillen Schreie hallten zum Schiff herunter.
    Doch Lyanna starrte nur das Ende des Kanals an, denn dort lag Herendeneth, das mit jedem Herzschlag näher kam. Wie die Klippen, unter denen sie vorbeifuhren, war auch die Insel eine hunderte Fuß hohe Felswand. Nach und nach kam ein Strand in Sicht, auf dem Steine wie Speere aufragten. Felsbrocken waren ins Meer gestürzt, überall lagen große Findlinge herum und zeugten von früheren, heftigen Erdbewegungen.
    Die Meerulme fuhr gleichmäßig durch den sich erweiternden Kanal. Es war wieder still auf dem Schiff. Herendeneth strahlte etwas aus, das Ehrfurcht und stille Kontemplation gebot. Die Matrosen, die nicht mit den Segeln oder dem Ruder beschäftigt waren, sanken kurz auf ein Knie, neigten den Kopf und berührten mit dem rechten Zeigefinger kurz die Stirn.
    »Jetzt sind wir da, Lyanna«, sagte Ren’erei. Erienne erschrak, sie hatte die Elfenfrau nicht kommen hören. »Bald werdet ihr vor den Al-Drechar stehen.«
    Der Name ließ Erienne erschauern. Der Name der Al-Drechar tauchte in Legenden und uralten Texten auf. Sie waren die Bewahrer des Glaubens, die Wächter der wahren Magie. Sie waren die Hüter des Einen. Es hatte nie ein Zweifel bestanden, dass eine ansehnliche Splittergruppe die Spaltung überlebt hatte, jene vernichtenden Schlachten, nach denen vier Kollegien aus den Trümmern der einen magischen Schule hervorgegangen waren, die zuvor die Magie Balaias beherrscht hatte. Doch seitdem waren mehr als zweitausend Jahre vergangen, und man musste annehmen, dass die Sekte ausgestorben war, als
die Zeit verging und in Balaia wieder Frieden einkehrte. Inzwischen hörte man nur noch Gerüchte über eigenartige Phänomene, die aber mit Entladungen von natürlichen Mana-Konzentrationen oder den Unwägbarkeiten der Natur erklärt werden konnten.
    Die Annahme, dass die Anhänger des Einen Weges überlebt hatten, war jedoch niemals schlüssig widerlegt worden, und im Laufe der Jahrhunderte hatte es genügend starke Magier gegeben, die am alten Weg festhielten und etwas fortsetzten, das andere bestenfalls eine Legende nannten.
    Nein, Erienne wusste genau, dass die Al-Drechar keine Legende waren. Sie wusste es einfach. Und bald schon würde sie persönlich mit denjenigen zusammentreffen, von denen viele träumten, während noch mehr Menschen beteten, sie wären schon lange tot.
    »Wie viele sind noch dort?«, fragte sie.
    »Nur vier«, erwiderte Ren’erei. »Deine Tochter ist unsere letzte Hoffnung dafür, dass unsere Sache vielleicht doch noch eine Zukunft hat.« Sie legte Lyanna die Hand auf den Kopf, und das Mädchen schaute auf und lächelte. Ein Stirnrunzeln vertrieb das Lächeln jedoch rasch wieder.
    »Sterben sie?«, fragte Erienne.
    »Sie sind sehr alt«, erwiderte die Elfenfrau. »Und sie warten schon lange auf euch. Viel länger hätten sie nicht warten können.«
    Erienne bemerkte, dass Ren’erei Tränen in den Augen standen.
    »Was werden wir dort vorfinden?«, überlegte sie, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.
    »Frieden. Güte. Reinheit. Das Alter.« Sie sah Erienne in die Augen, und die Magierin sah, dass in denen der Elfenfrau
die Verzweiflung brannte. »Sie dürfen nicht einfach sterben. Ich und die Gilde, wir haben beobachtet, wie sie über die Jahre immer schwächer geworden sind. Lyanna muss die Eine sein.«§§§
    »Sie ist es«, sagte Erienne. Ren’ereis Inbrunst beunruhigte sie. Auch Lyanna spürte es und lehnte sich an ihre Mutter. Sie blickte wieder zur Insel hinüber, die für wer weiß wie lange Zeit ihre Heimat werden sollte.
    »Sag mir, Ren’erei, wie viele gibt es, die ihnen dienen? Den Al-Drechar?«
    »Wir sind nicht viele. Dreiundvierzig insgesamt, doch unsere Söhne und Töchter werden die Arbeit fortführen, bis wir aus dem einen oder anderen Grund nicht mehr gebraucht werden. Wir dienen ihnen schon seit vielen Generationen, seit der Spaltung, und es gereicht uns damals wie heute zur Ehre.« Groß und stolz stand sie vor Erienne. »Wir sind die Gilde der Drech, und wir werden nicht nachlassen, bis wir unseren Dienst getan haben. Alles andere ist zweitrangig.« Sie kehrte Erienne den Rücken zu und schaute nach Herendeneth hinüber,

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