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Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit

Titel: Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Stille durchbrach, rannte sie schon mit voller Geschwindigkeit.

3
    Vier Jahre, nachdem die letzten Wesmen sich zurückgezogen hatten, war die Kollegstadt Julatsa beinahe wieder im gleichen Zustand wie vor dem Angriff der Wesmen. Einen bedeutsamen Unterschied gab es allerdings. Ilkar stand auf einem der wenigen unbeschädigten Abschnitte der Kollegmauern und drehte sich einmal um sich selbst. Sein schulterlanges schwarzes Haar flatterte im leichten Wind. Die hölzernen Befestigungen der Wesmen am Stadtrand waren schon lange abgerissen und zum Wiederaufbau von Häusern, Geschäften, städtischen Ämtern und den Dutzenden Läden und Gasthöfen verwendet worden, die von den Invasoren während der kurzen Besetzungszeit niedergebrannt und zerstört worden waren. Was an altem Gemäuer noch vorhanden war, wies deutliche Schäden und Brandspuren vom Krieg auf. Die verstreute oder versklavte Bevölkerung war zurückgekehrt, sobald die Wesmen abgezogen waren, und jetzt pulsierte in der Stadt wieder das Leben.
    Ilkar schüttelte den Kopf, als er einige neuere Gebäude betrachtete. Wenn man freundlich sein wollte, beschrieb
man die Bautätigkeit als »begeistert«. Man konnte nicht bestreiten, dass die spiralförmigen Türme, die weißen Steinkuppeln und die Zinnen mit großer Energie und in ebenso großer Eile errichtet worden waren. Man hatte schwungvoll gebaut, aber Ilkar fragte sich, was die Bauherren wohl inzwischen zu ihren Werken sagten.
    Der Eifer und die möglicherweise übertriebene Begeisterung hatten sich an den Toren des Kollegs totgelaufen. Anfangs hatte es noch ganz anders ausgesehen. Unmittelbar nach dem Rückzug der Wesmen hatte das zerstörte Kolleg im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden, während die Stadt versuchte, ihr Trauma zu verarbeiten. Man hatte die Gewalttaten, die dem Kolleg angetan worden war, zur Kenntnis genommen, und in den ersten Monaten waren die Neubauten rasch vorangetrieben worden. Aus dem Schutt entstanden Wohnquartiere, die Verwaltung, Küche und Refektorium und eine lange Halle. Der alte Innenhof wurde restauriert, und es gab auch wieder eine Bibliothek, in der allerdings bis auf ein paar Texte von Septern noch eine traurige Leere herrschte. Ilkar hatte die Texte mitgebracht, nachdem sie den Dimensionsriss hinter dem Mittagsschatten geschlossen hatten.
    Der Wiederaufbau war eine gewaltige Aufgabe, doch als immer mehr Julatsaner in die Stadt zurückkehrten, richtete sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die Funktionsfähigkeit der Stadt selbst. Das Problem war, dass es den Menschen sehr leicht fiel, sich vom Kolleg abzuwenden und die Arbeit, die dort noch zu tun war, zu vergessen, sobald das Leben in der Stadt wieder seinen Lauf nahm.
    Ilkar konnte es allerdings nicht vergessen. Seine Drehung um die eigene Achse endete mit einem Blick zur
neuen Bibliothek. Er konnte nicht bestreiten, dass sie eine Menge geschafft hatten, aber sie waren noch weit davon entfernt, wieder ein funktionierendes Kolleg zu haben. Wichtig war auch das Gebäude, das im Zentrum des Kollegs an der Stelle stehen sollte, wo jetzt ein dreihundert Fuß breites, schwarzes, zerklüftetes, zackiges Loch klaffte.
    Der Turm.
    Ilkar wusste, dass das, was darunter lag, den Baumeistern und Kaufleuten der Stadt Angst machte. Bei den Göttern, manchmal hatte er sogar selbst Angst, aber für ihn war die Furcht eher mit der gewaltigen Aufgabe verknüpft, die dort auf ihn wartete.
    Ganz unten, bedeckt von einem undurchdringlichen schwarzen Schleier, lag das Herz. Es war begraben worden, als Julatsa fiel. Barras, der alten Elfenunterhändler, hatte es zusammen mit einer Gruppe erfahrener Magier versenkt, und die Bergung war entscheidend für den Wiederaufbau des Kollegs.
    So viel Wissen war dort verborgen. Nicht nur die wichtigsten magischen Texte, sondern auch, was noch wichtiger war, die Baupläne und Skizzen. Solange das Herz nicht geborgen war, konnten sie den Turm, das Mana-Bad, den Kaltraum oder die Ruheräume nicht wieder aufbauen. Und solange er nicht genügend Magier hatte, konnte er nicht hoffen, das Herz zu bergen.
    Ilkar setzte sich auf die Brüstung und ließ die Beine baumeln. Da lag der Kern des Problems. Er hörte die Handwerker hämmern, die frische Farbe glänzte unter dem wolkenlosen blauen Himmel in der Sonne, und der Geruch stieg ihm in die Nase. Holzstaub bedeckte die Steinplatten, auf denen so viel Blut geflossen war.
    Es würde nie vollendet werden. Es gab nicht genug
julatsanische Magier, um die notwendige

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