Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
locken.
So war er zum Rudel zurückgekehrt, hatte aber einen anderen Weg zum Bau gewählt und gehofft, unterwegs Beute schlagen zu können. Auf dem Rückweg hatte er sie dann gefunden. Vier Menschen, zwei durch Metall getötet und zwei durch etwas anderes. Ihre Gesichter sprachen von plötzlichem Schrecken und kurzen Todesqualen.
Das war aber noch nicht alles. Eine Witterung in der Luft und auf den Blättern, die er wiedererkannte. Ein Rest von Wissen ihn ihm, der zum Leben erwachte. Er wusste, wer dies getan hatte. Er konnte sie in der Luft schmecken. Es musste mit den beiden zu tun haben, die er im Dornenwald gesehen hatte, bevor der Wind aufgekommen war. Sie und ihre Baumschatten-Leute.
Thraun blieb stehen. Auf einmal klärten sich seine Gedanken. Der Dornenwald fühlte sich schlecht an. Nicht weil so viel zerstört war, sondern wegen der Art und Weise, wie es geschehen war. Der abrupt aufkommende Wind, der sich nicht natürlich anfühlte, seine Verbindungen zu dem Dunst, den er ringsum spüren, aber nie berühren oder fühlen konnte.
Und dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmte, war immer noch da. Bei jeder Bö machte sein Herz einen Satz, und bei jedem Regentropfen fürchtete er, aus heiterem Himmel eine Sturzflut herabprasseln zu sehen. Das musste aufhören. Die Bedrohung für das Rudel musste beseitigt werden. Irgendwie hatten die Menschen, an die er sich undeutlich erinnerte, damit zu tun. Vielleicht suchten sie das Gleiche wie er. Vielleicht auch nicht. Aber eines war klar: Er konnte nicht im Dornenwald bleiben und von der Hoffnung allein leben.
Thraun hatte nie vergessen, dass er anders war als die anderen im Rudel. Er verstand viel mehr als sie, und er wurde nie verletzt. Er spürte eine eigenartige Verbundenheit mit den Menschen und hatte daher dem Rudel verboten, sie zu jagen. Jetzt brauchte er die Wölfe.
Er hatte sich entschlossen und trabte zum Rudel zurück. Die Welpen ließ er bei der Hündin, die am wenigsten zum Kämpfen geeignet war, die anderen führte er nach Greythorne zurück.
Dort irgendwo warteten die Antworten.
Hirad stocherte im Feuer herum und fachte die Glut an, bis neue Flammen in die Luft stiegen. Es war alles andere als eine ruhige Nacht. Zwar regnete es nicht, doch der Wind trieb immer neue Wolken über den Himmel, und am Boden wirbelten heftige Böen den Staub auf und heulten um die Ruinen der einst stolzen Häuser von Greythorne.
Im Zentrum und südlich der Stadt brannten Laternen, denn noch längst waren nicht alle Toten geborgen. Hirad empfand eine große Bewunderung und großes Mitleid für die Bewohner der Stadt, die zusammenhielten und so die innere Stärke fanden, in den Ruinen nach den Toten zu
wühlen, damit die Lebenden sich eine neue Zukunft aufbauen konnten.
Hirad legte einen getrockneten Zweig aufs Feuer und ließ den Blick vom Stadtzentrum zu denen wandern, über die er wachte. Der Rabe. Es war ohne jede Frage ein gutes Gefühl. Er hätte nicht geglaubt, irgendwann einmal wieder für Denser, Ilkar und den Unbekannten Wache halten zu können, doch nun war es geschehen, und ihr tiefer Schlaf verriet, welch großes Vertrauen sie zu ihm hatten.
Es gab so viele Erinnerungen, er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Er nahm den heißen Topf vom Feuer und füllte seinen Becher nach. Die Blätter, die Ilkar für einen Kräutertee gesammelt hatte, konnten noch einen weiteren Aufguss vertragen.
Eine Bö fuhr über das Lager und stahl sich unter die Mäntel und Felle seiner schlafenden Freunde. Ein flüsternder Taschendieb, der nichts stahl. Er lächelte und erinnerte sich an die unzähligen Male, die er es schon gesehen hatte.
Das Lächeln erstarb, als sein Blick an Denser hängen blieb. Die Bö war abgeklungen, doch das Rascheln hörte nicht auf. Densers Mantel bewegte sich, als wäre eine unsichtbare Hand am Werk.
Er hatte mehr Magie gesehen, als die meisten Nicht-Magier in ihrem ganzen Leben zu sehen bekamen, und erkannte einen Angriff unter Tarnzauber, wenn er ihn sah. Vorsichtig, weil der Magier, der sich langsam um Denser bewegte – um nicht wieder sichtbar zu werden, wenn er stehen blieb –, gewiss nicht allein gekommen war, richtete Hirad sich gemächlich auf, ohne den Blick ganz von Denser zu wenden, und überlegte, wo der Magier-Dieb sich wahrscheinlich aufhielt.
Denser lag von Hirad aus gesehen auf der anderen Seite des Feuers, der Unbekannte links neben ihm und Ilkar rechts. Hirad streckte sich. Sein Herz schlug schneller. Wieder fegte eine
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