Der Bund: Dunkle Götter 2 (German Edition)
diese Aufgabe geboren war. Über meine eigene Bestimmung dachte ich lieber nicht so gründlich nach. Dagegen bin ich wahrscheinlich der geborene Schlächter.
Es wurde still im Raum, als Penny und ich uns den versammelten Männern näherten. Gesichter, die ich Dutzende Male gesehen hatte, erschienen mir nun in einem neuen Licht. All die Verzweiflung und Hoffnung lasteten fast fühlbar auf mir. Ich richtete mich auf und hielt den Kopf aufrecht. Wenn ich eines von Dorian gelernt hatte, dann war es die Tatsache, dass ein Anführer Zuversicht ausstrahlen musste. Alles andere hätte nur Unsicherheit und Verwirrung gesät.
Er schien erleichtert, als er mich bemerkte. Seiner Aura konnte ich sogleich entnehmen, dass er trotz der äußerlichen Ruhe nervös war. »Anscheinend geht es heute los«, erklärte er mir.
»Wie viele sind es denn?«, fragte ich.
Er war unsicher. »Das wissen wir noch nicht genau. Der Späher ist gerade erst zurückgekehrt und sagte, die Spitze der Marschkolonne sei ein paar Meilen von Arundel entfernt, während das Ende im Gebirgspass noch gar nicht auszumachen ist.«
Das klang zwar nach schrecklich vielen Kriegern, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich ihre Zahl annähernd richtig schätzen sollte. »Was bedeutet das?«, fragte ich ihn, damit er mir die Sache näher erklärte.
»Vorne laufen fünf Männer nebeneinander. Wenn sie dicht auf dicht marschieren, müssen wir mit etwa zehntausend Kämpfern pro anderthalb Meilen rechnen. Das lässt die Lücken zwischen den einzelnen Regimentern natürlich noch unberücksichtigt.« Dorian war sichtlich beunruhigt.
Ich überschlug es im Kopf. »Wenn die Hauptkolonne auf der Talstraße bereits drei Meilen weit vorgedrungen ist, müssen wir mit mindestens zwanzigtausend Angreifern rechnen.«
»Aber wir wissen doch noch nicht einmal, wie lang die Kolonne insgesamt ist, Mordecai. Es könnten leicht doppelt so viele sein.«
Es lief mir kalt den Rücken hinunter. »Wenn das zutrifft, dann erstreckt sich ihr Zug auf das ganze Wegstück von Cameron bis Arundel, also über mehr als ein Drittel der Gesamtlänge des Tals. Wie können sie denn überhaupt hoffen, so viele Krieger zu versorgen? Das Problem des Nachschubs muss unvorstellbar sein.«
Joe McDaniel, der neben Dorian stand, schaltete sich ein. »Das ist allerdings nicht unser Problem. Wir müssen sie ja lediglich töten.«
Dorian hustete. »Eigentlich nicht. Das ist wirklich etwas, über das wir nachdenken sollten. Wenn unser Plan scheitert und ein langer Feldzug beginnt, werden ihre Nachschublieferungen ungeheuer wichtig. Eine Armee lebt und stirbt mit dem, was sie im Magen hat.«
»Wenn es aber ein langwieriger Feldzug wird, dann trifft es eher uns als sie. Unsere Vorräte werden nach dem Winter knapp. Wir müssen beizeiten die Frühjahrssaat ausbringen. Wenn sie uns belagern, sind wir also lange vor ihnen tot«, wandte ich ein.
»Angesichts so vieler Gegner könnten wir allerdings gar nicht lange genug standhalten, um zu verhungern«, gab Cyhan zu bedenken.
Einige Männer hatten unsere trostlose Unterhaltung belauscht und regten sich unruhig. Ich hob die Stimme. »Hört mir zu!« Von einer Bank aus stieg ich auf den Tisch. Dabei zertrat ich einen unglücklichen Brotlaib, aber das spielte keine Rolle. »Heute beginnt unser Kampf! Ihr fragt euch vielleicht, ob wir siegen können. Wahrscheinlich fragt ihr euch genauso, ob ein Neuanfang auf einem Stück Land euer Leben wert ist. Habe ich recht?« Ich hielt inne, um zu sehen, ob jemand antwortete. Offenbar hatten meine Worte den Nerv getroffen, auch wenn niemand etwas sagte.
»Viele von euch sind mit mir in Albamarl gewesen. Andere waren dabei, als wir die Kultanhänger in der Burg des Herzogs bekämpft haben. Einige von euch haben keine Ahnung, wozu ich fähig bin, aber möglicherweise habt ihr ein paar wüste Geschichten gehört«, verkündete ich laut. Einige der Männer kicherten, was ich als gutes Zeichen betrachtete.
»Vor einiger Zeit hat mir ein Freund erklärt, die wahre Macht beruhe nicht auf Geld oder Magie. Ich hielt ihn für einen Narren. Wisst ihr, was er mir sagte?« Ich wartete einen Moment, ehe ich fortfuhr. »Er sagte mir: Die wahre Macht liegt in den Menschen, die dir folgen.«
»Aber auf der anderen Seite sind viel mehr Leute angerückt!«, rief jemand von hinten.
»Ihr habt recht. Doch diese Kriegertruppe ist nicht unser größter Feind. Das sind Männer wie ihr, die einfach nur irgendwie überleben wollen. Glaubt ihr denn, sie
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