Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
Vom Netzwerk:
jemanden verbergen; es könnte eine Weile dauern, bis der Verfolger offenes Gelände betrat. Tom lag auf dem Bauch, suchte die Wüste ab, hielt Ausschau nach einem Fleckchen Mensch, das sich bewegte, sah jedoch nichts. Fünf Minuten vergingen, zehn. In Tom machte sich Erleichterung breit. Die Sonne ging auf, ein Kessel aus Feuer. Ihre orangeroten Strahlen trafen auf die höchsten Gipfel und Kämme und krochen dann wie dickflüssiges Gold die Hügelflanken hinab. Schließlich drang das Licht auch in die Badlands vor, und Tom konnte die Hitze am Hinterkopf spüren. Noch immer sah er keinen Hinweis auf einen Verfolger. Der Mann war weg. Tom hoffte, dass er immer noch oben im Daggett Canyon herumstolperte und allmählich verdurstete, während die Truthahngeier schon über ihm kreisten.
    Mit diesem angenehmen Gedanken im Hinterkopf stieg Tom von dem Hügel herab. Sally lehnte mit dem Rücken an einem Felsen und schlief. Er betrachtete sie einen Moment lang, das lange, zerzauste blonde Haar, das zerfetzte, schmutzige T-Shirt, die staubigen Jeans und Stiefel. Er beugte sich vor und küsste sie sacht auf den Mund.
    Sie öffnete die Augen, wie zwei grüne Edelsteine, die plötzlich enthüllt wurden. Tom spürte einen Kloß in der Kehle. Er hätte sie beinahe verloren.
    »Irgendwas zu sehen?«, fragte sie.
    Tom schüttelte den Kopf.
    »Bist du sicher?«
    Tom zögerte. »Nicht ganz.« Er fragte sich, warum er das gesagt hatte, warum er selbst hartnäckig daran zweifelte.
    »Wir müssen in Bewegung bleiben«, sagte sie und stöhnte, als Tom ihr auf die Beine half. »Ich bin so steif wie Norman Bates' Mutter. Ich hätte mich gar nicht erst hinsetzen dürfen.«
    Sie marschierten das ausgetrocknete Flussbett entlang, wobei Tom sich Sallys Tempo anpasste. Die Sonne stieg höher. Tom legte sich einen Kiesel in den Mund, lutschte daran und versuchte, seinen wachsenden Durst zu ignorieren. Sie würden vermutlich kein Wasser finden, bis sie an den Fluss kamen, der noch etwa fünfundzwanzig Kilometer entfernt lag. In der Nacht war es kühl gewesen, doch nun, da die Sonne vorrückte, konnte er die Hitze bereits spüren. Es würde ein verdammt heißer Tag werden.

3
    Weed Maddox lag auf dem Bauch hinter einem Felsen und beobachtete durch das Zielfernrohr seines AR-15, wie Broadbent sich über seine Frau beugte und sie küsste. Seine Nase schmerzte immer noch von dem Tritt, den sie ihm versetzt hatte, seine Wange war von ihrem bösen Kratzer entzündet, seine Beine fühlten sich an wie Gummi, und er wurde mit jeder Minute durstiger. Die beiden Bastarde waren mit beinahe übermenschlicher Geschwindigkeit durch die Badlands gewandert, ohne auch nur zu rasten. Er fragte sich, wie sie das schafften. Ohne seine Taschenlampe und den Mond am klaren Himmel hätte er sie ganz sicher verloren. Aber in diesem Land ließ sich eine Spur gut verfolgen, und er hatte einen Vorteil: Er wusste, wohin sie wollten -zum Fluss. Wo sollten sie sonst hingehen? Jede Wasserquelle, an der sie vorbeigekommen waren, war knochentrocken gewesen.
    Er verlagerte sein Gewicht, weil ihm ein Fuß eingeschlafen war, und beobachtete, wie sie sich in dem Canyon wieder auf den Weg machten. Von hier aus konnte er Broadbent vermutlich erledigen, aber der Schuss war riskant, und das Miststück könnte ihm entwischen. Nun, da es wieder Tag war, würde er sie kriegen, wenn er sie überholte und sich dann an sie heranschlich. Er hatte hier Unmengen Platz, sich in den Hinterhalt zu legen.
    Der Schlüssel war, sich nicht vorher zu verraten. Wenn sie merkten, dass er sie immer noch verfolgte, würde es sehr viel schwieriger werden, sie zu überraschen.
    Mit dem Fernrohr seines Gewehrs suchte er die Landschaft vor sich ab und achtete darauf, die Linse nicht direkt ins Sonnenlicht zu halten; nichts würde ihn schneller verraten als ein Lichtblitz von geschliffenem Glas. Er kannte die Mesas gut, sowohl von seinen eigenen Erkundungsgängen als auch von den vielen Stunden über den Geological-Survey-Karten, die Corvus ihm zur Verfügung gestellt hatte. Er wünschte weiß Gott, er hätte jetzt eine dieser Karten dabei. Im Südwesten erkannte er den großen Felsenkamm des Navajo Rim, der mehr als zweihundert Meter über der wüsten Umgebung aufragte. Dazwischen, so erinnerte er sich, lag ein toter Landstrich, genannt die Echo Badlands, voll tiefer Canyons und seltsamer Felsformationen, durch die sich die gewaltige Schlucht zog, die als Tyrannosaur Canyon bekannt war. Etwa zwanzig Kilometer vor

Weitere Kostenlose Bücher