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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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etwas so sehr gefallen wie dieses Armband. Sternsaphire aus Sri Lanka, ihre Lieblingssteine, jeder davon einzigartig, tief in der Erde durch immensen Druck und gewaltige Hitze erschaffen – der Inbegriff der Mineralogie. Sie wusste, dass er sie offen und schamlos manipulierte, doch zugleich dachte sie sich: Warum nicht? Warum sollte sie es nicht annehmen? So lief es nun mal in dieser Welt.
    Corvus' Hand legte sich auf ihre Schulter und drückte sie sacht. Es war wie ein elektrischer Schlag. Zu ihrem Entsetzen kullerte ihr eine heiße Träne über die Wange. Sie blinzelte hastig, brachte kein Wort heraus und war froh, dass er hinter ihr stand und es nicht sehen konnte. Die andere Hand legte sich auf ihre andere Schulter, beide Hände drückten sie zärtlich, und sie spürte die Hitze seiner Nähe im Nacken. Ein erotischer Stromstoß durchfuhr sie, sie errötete, und ein Kribbeln lief über ihren ganzen Körper.
    »Melodie, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe. Ich weiß, wie gut Sie sind. Deshalb vertraue ich diese Probe nur Ihnen an – und niemand anderem. Deshalb habe ich Ihnen das Armband geschenkt. Das ist nicht nur eine Bestechung – obwohl es das natürlich auch ist.« Er lachte leise und tätschelte ihre Schulter. »Das ist ein Ausdruck meines Vertrauens in Sie, Melodie Crookshank.«
    Sie nickte, den Kopf immer noch abgewandt.
    Die Hände drückten, rieben, streichelten ihre Schultern. »Ich danke Ihnen, Melodie.«
    »Okay«, flüsterte sie.

8
    Nach dem Tod seines Vaters hatte Tom eine Unmenge Geld geerbt, sich aber nur eine einzige Extravaganz gegönnt – einen 1957er Chevy 3100 Pick-up mit türkisfarbenem Chassis und weißem Verdeck, verchromtem Kühlergrill und ganzen drei Gängen. Der Wagen hatte einem Oldtimer-Sammler in Albuquerque gehört, einem echten Fanatiker; er hatte Motor und Getriebe liebevoll überholt, nicht auffindbare Teile extra nachbauen lassen und alles neu verchromt, bis hin zu den Drehknöpfen am Autoradio. Als Tüpfelchen auf dem i hatte er das Interieur mit feinstem, cremeweißem Ziegenleder neu gepolstert. Der arme Kerl war an einem Herzinfarkt gestorben, bevor er die Früchte seiner Arbeit genießen konnte, und Tom hatte eine Anzeige für den Oldtimer in einer Zeitung entdeckt. Er hatte der Witwe jeden Cent bezahlt, den der Wagen wert war – fünfundfünfzigtausend Dollar –, und fand dennoch, dass er einen guten Fang gemacht hatte. Das Auto war ein fahrbares Kunstwerk.
    Es war bereits Mittag. Tom war überall herumgefahren, hatte sich im Sunset umgehört und sämtliche ihm bekannten Waldwege in der Nähe der Mesas abgesucht, alles umsonst. Er hatte lediglich erfahren, dass die Polizei von Santa Fé die gleichen Wege eingeschlagen hatte und herauszufinden versuchte, ob irgendjemand dem Ermordeten vor dessen Tod begegnet war.
    Offenbar hatte der Mann sich große Mühe gegeben, seine Spuren zu verwischen.
    Tom hatte daraufhin beschlossen, Ben Peek in dem verrückten Dörfchen Cerrillos, New Mexico, zu besuchen. Cerrillos war eine ehemalige Goldgräbersiedlung, die schon bessere Zeiten gesehen hatte; der Ort lag in einer Senke voll prächtiger Pappeln etwas abseits der Hauptstraße und bestand aus einer Ansammlung alter Gebäude aus Lehmziegeln und Holz am trockenen Bett des Galisteo Creek. Die Minen waren vor Jahrzehnten aufgegeben worden, doch Cerrillos war nicht zur Geisterstadt geworden, weil Hippies das Dorf in den Sechzigern wiederbelebt hatten. Sie hatten die verlassenen Hütten der Minenarbeiter aufgekauft und darin Töpferateliers, Lederboutiquen und Makramee-Manufakturen eingerichtet. Inzwischen lebte dort eine merkwürdige Mischung hispanischer Familien, deren Vorfahren in den Minen gearbeitet hatten, alternder Hippies und exzentrischer Spinner.
    Ben Peek gehörte zu Letzteren, und man sah es seinem Haus an. Die Holzverschalung war seit Jahrzehnten nicht mehr gestrichen worden. Im staubigen Hof, umschlossen von einem schiefen Palisadenzaun, rosteten alte Geräte aus dem Bergbau vor sich hin. In einer Ecke lag ein violetter und grüner Haufen gläserner Insulatoren, die eigentlich an Telefonmasten gehörten. An die Seitenwand des Hauses war ein Schild genagelt mit der Aufschrift:
    THE WHAZZIT SHOP
    ALLES ZU VERKAUFEN
    Inklusive Inhaber
    Jedes vernünftige Gebot wird angenommen.
    Tom stieg aus dem Auto. Ben Peek war vierzig Jahre lang professioneller Prospektor und Goldsucher gewesen, bis ein aufsässiges Maultier ihm die Hüfte gebrochen hatte. Widerwillig hatte er

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