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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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Motto ›Publish or perish‹. Aber wir sind das Museum of Natural History, und die meiste Arbeit hier ist Weltspitze. Ich schweife ab. Seit Ihrer letzten Veröffentlichung ist ein ganzes Jahr vergangen. Ich habe Sie hierher gebeten, weil ich annehme, dass Sie an etwas Wichtigem arbeiten.« Er zog die Brauen in die Höhe, um eine Frage anzudeuten.
    Corvus schlug das andere Bein über. Die Muskeln um seinen Mund herum schmerzten von der Anstrengung, weiter zu lächeln. Diese Demütigung war kaum noch zu ertragen.
    »Zufällig beschäftige ich mich zurzeit tatsächlich mit einem wichtigen Projekt.«
    »Darf ich fragen, worum es geht?«
    »Die Sache hat gerade einen recht empfindlichen Punkt erreicht, aber in ein oder zwei Wochen werde ich sie Ihnen und dem Komitee vorstellen können – streng vertraulich, versteht sich. Es dürfte alle sehr zufrieden stellen.«
    Peale musterte ihn einen Moment lang und lächelte dann. »Wunderbar, Iain. Ich glaube, Sie wären ein Gewinn für das Museum, und Ihr bedeutender Name, der schließlich an Ihren berühmten Vater erinnert, ist uns ebenfalls wichtig. Ich stelle Ihnen diese Fragen nur, um Ihnen eventuell einen hilfreichen Rat geben zu können. Es geht uns sehr zu Herzen, wenn einer unserer Nachwuchs-Kuratoren die Aufnahme in die Regellaufbahn nicht schafft; wir betrachten dies als unser eigenes Versagen.« Peale erhob sich mit einem breiten Lächeln und streckte die Hand aus. »Viel Glück.«
    Corvus verließ das Büro und ging den langen Flur im vierten Stock entlang. Er kochte dermaßen vor stummer Wut, dass er kaum Luft bekam. Doch er behielt das Lächeln bei, nickte nach links und rechts und murmelte seinen Kollegen, die in den Feierabend aufbrachen, einen Gruß zu – die Herde strömte ihren Pseudo-Ranchhäusern und gesichtslosen Vorstädten in Connecticut, New Jersey oder Long Island entgegen.

17
    Der weiß getünchte Raum hinter der Sakristei des Klosters Christ in the Desert enthielt nur vier Gegenstände: einen harten Holzstuhl, einen rauen Tisch, ein Kruzifix und ein Apple PowerBook G4 mit Drucker, solarbetrieben. Wyman Ford saß vor dem Laptop und war kribbelig vor freudiger Erwartung. Er hatte gerade zwei kryptoanalytische Programme heruntergeladen und würde sie gleich auf den Code loslassen, den er sorgfältig aus dem Notizbuch des Toten abgetippt hatte. Schon jetzt war ihm klar, dass dies keine einfache Geheimschrift war; er hatte dem Text mit keinem seiner üblichen Kniffe beikommen können.
    Das hier war wirklich etwas Besonderes.
    Er hob den Finger und ließ ihn energisch auf die Taste sinken: Das erste Programm begann zu laufen.
    Es handelte sich eigentlich nicht um ein Dechiffrierungsprogramm, sondern um eine Software, die Muster analysierte; sie erfasste den Code und entschied anhand einer Reihe von Mustern, zu welcher Klasse von Codes dieser gehörte – ob er auf Substitution oder Transposition, einfacher Ersetzung oder komplexerer Chiffrierung, einem oder mehreren Alphabeten beruhte. Er war bereits zu dem Schluss gekommen, dass es sich nicht um ein asymmetrisches System handelte, etwa auf Basis der Primzahlen. Ansonsten hatte er schlicht keine Ahnung.
    Es dauerte nur fünf Minuten, bis das Programm sich mit einem Piepsen meldete und anzeigte, dass die erste Analyse abgeschlossen war. Verblüfft las Ford das Ergebnis:
    CHIFFRE-TYP NICHT ENTZIFFERT
    Er sah sich die Ergebnisse im Einzelnen an, numerische Häufigkeitstabellen, Wahrscheinlichkeitszuordnungen. Die Zahlen in dem Buch waren keineswegs zufällig gruppiert – das Programm hatte alle möglichen Muster und Abweichungen von der Randomität festgestellt. Das bewies, dass die Ziffern Informationen enthielten. Aber welche Informationen, und wie waren sie verschlüsselt?
    Ford war alles andere als entmutigt; im Gegenteil, ein Schauer der Erregung lief ihm den Rücken hinunter. Je komplizierter die Chiffrierung, desto interessanter die Nachricht. Er ließ das nächste Programm laufen, eine Häufigkeitsanalyse, die nach einzelnen Ziffern, Zweier- und Dreiergruppierungen suchte und diese mit Häufigkeitstabellen der verbreitetsten Sprachen abglich. Doch auch dies erwies sich als Fehlschlag: Das Ergebnis zeigte keinen Zusammenhang zwischen den Zahlen und der englischen oder sonst einer gebräuchlicheren Sprache auf.
    Ford sah auf die Uhr. Er hatte die Terz verpasst. Er saß nun schon seit fünf Stunden hier.
    Verdammt.
    Er wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Die Tatsache, dass jede Zahl aus acht Ziffern

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