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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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bestand – ein Byte – wies auf einen computerbasierten Code hin. Doch er war mit Bleistift in ein schmuddeliges Notizbuch geschrieben, offenbar mitten im Nirgendwo, ohne Zugang zu einem Computer. Außerdem hatte Ford schon versucht, die achtziffrigen Zahlen in binäre, hexadezimale und ASCII-Codes umzuwandeln und von den Programmen überprüfen zu lassen, ebenfalls ohne Erfolg.
    Allmählich fing die Sache an, ihm Spaß zu machen.
    Ford überlegte, griff nach dem Notizbuch, schlug es auf und blätterte die Seiten durch. Es war alt, der Ledereinband zerschrammt, und zwischen den abgegriffenen Seiten rieselte Sand hervor. Es roch leicht nach Holzrauch. Die Zahlen waren mit einem spitzen Bleistift geschrieben, sauber und ordentlich, in geraden Zeilen und Reihen, und formten eine Art Gitter. Die gleichmäßige Schrift ließ ihn vermuten, dass die Notizen auf einmal abgefasst worden waren. Und auf den gesamten sechzig Seiten fand sich nirgends eine einzige Radierung oder Korrektur. Zweifellos waren diese Zahlen irgendwo abgeschrieben worden.
    Er schlug das Buch zu und drehte es um. Auf der Rückseite war ein Fleck, ein wenig klebrig und verschmiert, und er stellte erschrocken fest, dass es sich um Blut handelte. Er erschauerte und legte das Buch rasch beiseite. Das Blut erinnerte ihn plötzlich daran, dass dies kein Spiel war, dass ein Mann ermordet worden war, und dass dieses Notizbuch sehr wahrscheinlich den Hinweis darauf enthielt, wo ein Vermögen zu finden war.
    Wyman Ford fragte sich, worauf er sich da eingelassen hatte.
    Auf einmal spürte er jemanden hinter sich und drehte sich um. Es war der Abt, die Hände im Rücken verschränkt, ein schwaches Lächeln auf dem Gesicht, der ihn mit seinen lebhaften schwarzen Augen ansah. »Wir haben Sie vermisst, Bruder Wyman.«
    Wyman erhob sich. »Es tut mir leid, Vater.«
    Der Blick des Abts fiel auf den mit Zahlen gefüllten Bildschirm. »Was Sie da tun, muss sehr wichtig sein.«
    Wyman sagte nichts. Er wusste nicht recht, ob es wichtig in dem Sinne war, wie der Abt das Wort auffasste. Er schämte sich. Das war genau die besessene Arbeitsweise, die ihn in seinem früheren Leben in Schwierigkeiten gebracht hatte, diese zwanghafte Beschäftigung mit einem einzigen Problem, bei der er alles andere ausschloss. Nach Julies Tod hatte er sich nicht verzeihen können, dass er so oft bis spät in die Nacht gearbeitet hatte, statt mit ihr zu sprechen, zu Abend zu essen oder mit ihr zu schlafen.
    Er spürte den gütigen Druck im Blick seines Abts, konnte ihm aber nicht in die Augen sehen.
    »Ora et labora, bete und arbeite«, sagte der Abt, in dessen sanfter Stimme nun eine gewisse Härte mitschwang. »Die beiden stehen im Gegensatz zueinander. Gebete sind eine Möglichkeit, Gott zu lauschen, und die Arbeit ist eine Möglichkeit, zu Gott zu sprechen. Das klösterliche Leben strebt danach, die beiden genau im Gleichgewicht zu halten.«
    »Ich verstehe, Vater.« Wyman spürte, dass er rot wurde. Der Mann überraschte ihn immer wieder mit seiner schlichten Weisheit.
    Der Abt legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Das freut mich«, sagte er, drehte sich um und ging.
    Wyman speicherte seine Arbeit, kopierte alles auf CD und schaltete den Computer aus. Dann packte er Laptop und CD in eine Tasche, kehrte in seine Zelle zurück und legte beides in die Schublade seines Nachtkästchens. Hatte er den Geheimdienst wirklich und wahrhaftig aus seinem Leben verbannt? Ging es hier vielleicht darum?
    Er neigte den Kopf und betete.

18
    Tom Broadbent beobachtete Detective Lieutenant Wilier, der in Broadbents Wohnzimmer auf und ab ging; seine schweren Schritte wirkten irgendwie unverschämt. Der Detective trug ein kariertes Sportsakko, eine graue Hose und ein blaues Hemd ohne Krawatte, und seine Arme waren kurz, die Hände knochig und stark geädert. Er war etwa fünfundvierzig und nicht größer als einen Meter siebzig, mit einem schmalen Gesicht, einer messerscharfen Nase, und unter den schwarzen, rot geränderten Augen hingen schwere Tränensäcke. Das war das Gesicht eines schlaflosen Mannes.
    Hinter ihm stand sein Gehilfe Hernandez, weich, dicklich und freundlich, mit einem aufgeschlagenen Notizblock in der Hand. Die beiden waren in Begleitung einer nüchtern wirkenden Frau mit stahlgrauem Haar erschienen, die sich als Dr. Feininger, Gerichtsmedizinerin, vorgestellt hatte.
    Sally saß neben Tom auf dem Sofa.
    »Am Tatort wurde ein menschliches Haar gefunden«, erklärte Willer und drehte sich

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