Der Canyon
und einen Fünfdollarschein und betrat die Lobby des El Dorado Hotel. Seine neuen Schlangeniederstiefel von Lucchesi knarrten angenehm. Er hielt inne, sah sich um und zupfte sein Jackett zurecht. An einer Wand loderte ein fauchendes Kaminfeuer, auf der anderen Seite des Raums saß eine alte Schwuchtel an einem Flügel und spielte »Misty«. Am hinteren Ende befand sich eine mit hellem Holz verkleidete Bar.
Er spazierte zum Tresen hinüber, hängte die Laptop-Tasche über die Stuhllehne und setzte sich. »Kaffee. Schwarz.«
Der Barkeeper nickte und kam mit einer Tasse Kaffee und einer Schale gewürzter Erdnüsse zurück.
Maddox trank einen Schluck. »Hören Sie, der ist ein bisschen schal. Könnten Sie vielleicht eine frische Kanne aufsetzen?«
»Natürlich, Sir. Ich bitte um Entschuldigung.« Der Barkeeper räumte hastig die Tasse ab und verschwand in einem Hinterzimmer.
Maddox griff mit den Fingern in die Schale, warf sich ein paar Erdnüsse in den Mund und beobachtete die Leute, die kamen und gingen. Sie sahen alle aus wie er, trugen Polo-Hemden, Sportjacketts und adrette Hosen aus Kord oder Kammgarn – Leute, die ein ordentliches, geregeltes Leben führten, mit zwei Autos in der Garage, zwei Komma vier Kindern und monatlichen Gehaltsschecks. Er lehnte sich zurück, genehmigte sich noch ein paar Erdnüsse und kaute gemächlich. Seltsam, wie viele attraktive Frauen mittleren Alters – wie die Frau da drüben, die gerade die Lobby durchquerte, in einer braunen Hose und Pullover mit Perlen und einer kleinen schwarzen Handtasche – weiche Knie bekamen, wenn sie an einen tätowierten, aufgepumpten Knastbruder dachten, der wegen Vergewaltigung, Mord oder Körperverletzung eine lange Haftstrafe verbüßte. Er hatte heute Abend viel zu tun: Mindestens zwanzig neue Knackis warteten darauf, mit einer Vita versehen und ins Netz gestellt zu werden. Einige der Briefe von heute waren so katastrophal, dass er sich einfach etwas ausdenken musste. Aber egal: Es meldeten sich immer noch jede Menge neuer Abonnentinnen an, die Nachfrage für Verbrecher wuchs beständig. So leicht hatte er noch nie im Leben Geld verdient, und am meisten erstaunte ihn, dass die Sache völlig legal war – alles lief per Kreditkarte über ein Online-Bezahlsystem. Die Zahlungsfirma strich ihren Anteil ein, und der Rest wurde auf sein Bankkonto überwiesen.
Wenn er gewusst hätte, wie einfach es war, auf legalem Weg Geld zu machen, hätte er sich eine beschissene Menge Ärger ersparen können.
Er kaute noch ein paar Erdnüsse und schob dann die Schale von sich, weil er auf seine Linie achtete, als der Barkeeper mit einer frischen Tasse Kaffee erschien. »Entschuldigen Sie, dass es so lange gedauert hat, tut mir wirklich leid.«
»Kein Problem.« Maddox nippte an dem Kaffee – absolut frisch. »Danke.«
»Aber gern, Sir.«
Weed Maddox wandte sich seinem drängendsten Problem zu. Das Notizbuch befand sich nicht im Haus. Das bedeutete: Entweder Broadbent trug es bei sich, oder er hatte es irgendwo anders versteckt, vielleicht sogar in einem Bankschließfach deponiert. Wo immer es sein mochte, Maddox wusste jetzt, dass er es nicht durch einfachen Diebstahl bekommen würde. Er spürte Ärger in sich aufwallen. Broadbent steckte da irgendwie mit drin. Vielleicht als Rivale – vielleicht sogar als Weathers' Partner.
Corvus' typisch britische Stimme hallte in seinem Kopf wider: Das Notizbuch. Es gab nur eine Möglichkeit: Er musste Broadbent dazu zwingen, es rauszurücken. Maddox brauchte nur das richtige Druckmittel.
Er brauchte sie.
»Zum ersten Mal in Santa Fé?«, unterbrach der Barkeeper seine Gedanken.
»Ja.«
»Geschäftlich?«
»Was sonst?« Maddox grinste.
»Sind Sie auch wegen der Laparoskopie-Konferenz hier?«
Herrgott, vermutlich sah er wirklich aus wie ein Chirurg. Ein Arzt aus Connecticut auf medizinischer Vergnügungsfahrt, komplett bezahlt von irgendeinem Pharma-Riesen. Wenn der Barkeeper nur die Tätowierung sehen könnte, die seinen Rücken vom Nacken bis zum Hintern bedeckte. Er würde sich vor Angst in die Hose machen …
»Nein«, sagte Maddox freundlich, »ich bin in der Personalentwicklung tätig.«
20
Die E-Mail, die Tom am nächsten Morgen erhielt, lautete:
Tom,
ich habe das Buch »entschlüsselt«. Es ist unglaublich. Ich wiederhole: Es ist unglaublich. Kommen Sie so bald wie möglich ins Kloster und bereiten Sie sich auf etwas Umwerfendes vor.
Wyman
Tom war sofort aufgebrochen. Nun, da sein Chevy den letzten
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