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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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–«
    Wieder hob sich die fette Hand und unterbrach Toms vorbereitete Ansprache. »Das funktioniert vielleicht bei Beezon, aber nicht bei mir. Sagen Sie mir, worum es wirklich geht.«
    Tom überlegte einen Augenblick. Das schlaue, zynische Glitzern in Dearborns Augen überzeugte ihn davon, dass er mit der Wahrheit wohl besser fahren würde.
    »Vielleicht haben Sie von dem Mord in New Mexico gelesen, in den Mesas nördlich von Abiquiú?«
    »Allerdings.«
    »Ich war es, der die Leiche gefunden hat. Ich bin zufällig über den Mann gestolpert, als er im Sterben lag.«
    »Und weiter?«, sagte Dearborn in neutralem Tonfall.
    »Er hat mir ein Notizbuch in die Hand gedrückt und mich schwören lassen, dass ich es seiner Tochter geben würde, Robbie. Ich versuche, dieses Versprechen zu halten. Das Problem ist nur, dass die Polizei ihn noch nicht identifiziert und, soweit ich weiß, nicht einmal die Leiche gefunden hat.«
    »Hat der Mann irgendetwas gesagt, bevor er starb?«
    »Er war nur einen Moment lang bei Bewusstsein«, wich Tom der Frage aus.
    »Und sein Notizbuch? Was steht darin?«
    »Nur Zahlen. Lange Listen von Zahlen.«
    »Was für Zahlen?«
    »Daten einer Bodenradar-Vermessung.«
    »Ja, ja, natürlich, so hat er es gemacht. Darf ich fragen, wo Ihr Interesse in dieser Sache liegt, Mr. Broadbent?«
    »Mr. Dearborn, ich habe einem Sterbenden mein Wort gegeben. Ich halte meine Versprechen. Das ist mein Interesse – nicht mehr und nicht weniger.«
    Harry Dearborn fand diese Antwort offenbar lustig. »Ich glaube, Mr. Broadbent, wenn ich Diogenes wäre, müsste ich jetzt meine Lampe löschen. Sie sind eine wahre Seltenheit, ein ehrlicher Mensch. Oder ein hervorragender Lügner.«
    »Meine Frau meint, ich wäre einfach stur.«
    Er seufzte schlaff. »Ich habe diesen Mordfall in Abiquiú tatsächlich in der Zeitung verfolgt. Ich habe mich gefragt, ob es sich bei dem Toten um einen gewissen, mir gut bekannten Dinosaurierjäger handeln könnte. Mir war bewusst, dass der Kerl da oben herumgesucht hat, und es ging das Gerücht, er wäre an etwas wirklich Großem dran. Anscheinend sind meine schlimmsten Befürchtungen Wirklichkeit geworden.«
    »Kennen Sie seinen Namen?«
    Der dicke Mann bewegte sich in seinem Sessel, der unter der Umverteilung der gewaltigen Last knarrte. »Marston Weathers.«
    »Wer war er?«
    »Kein geringerer als der beste Dinosaurierjäger im ganzen Land.« Der dicke Mann führte die Hände zusammen und presste sie aufeinander. »Seine Freunde nannten ihn Stem, weil er groß und sehnig war. Sagen Sie mir eines, Mr. Broadbent: Hat der alte Stem gefunden, was er gesucht hat?«
    Tom zögerte. Doch er hatte irgendwie das Gefühl, diesem Mann vertrauen zu können. »Ja.«
    Ein weiteres langes, trauriges Seufzen. »Der arme Stem. Er ist gestorben, wie er gelebt hat: ironisch.«
    »Was können Sie mir über ihn sagen?«
    »Eine ganze Menge. Und dafür, Mr. Broadbent, werden Sie mir mehr darüber erzählen, was er gefunden hat. Einverstanden?«
    »Einverstanden.«

14
    Wyman Ford konnte das Ende des Navajo Rim ein paar hundert Meter vor sich sehen, wo die Mesa in einer kleinen, daumenartigen Kuppe endete. Die rot glühende Sonnenscheibe hing schon tief am Himmel. Ford fühlte sich neu belebt. Jetzt verstand er, warum die Indianer in alten Zeiten in die Wildnis gezogen waren und dort gefastet hatten, auf der Suche nach einer Vision. Er lebte seit zwei Tagen von halben Rationen, aß zum Frühstück nur eine Scheibe Brot, die er mit Olivenöl beträufelte, und abends einen halben Becher gekochter Linsen mit Reis. Der Hunger stellte merkwürdige, wunderbare Dinge mit dem menschlichen Verstand an; er gab ihm ein Gefühl von Euphorie und grenzenloser Energie. Wyman wunderte sich darüber, dass ein bloßer physiologischer Effekt ein so ergreifendes spirituelles Gefühl auslösen konnte.
    Er ging um die Sandsteinkuppe herum und suchte nach einem Weg hinauf. Die Aussicht war unglaublich, doch von dort oben würde er noch mehr sehen können. Er schob sich auf einem Sandsteinvorsprung entlang, der kaum einen Meter breit war; unter ihm ging es über dreihundert Meter in die blaue Tiefe eines Canyons. Er war noch nie so weit ins Hochland vorgedrungen und kam sich vor wie ein Entdecker, ein John Wesley Powell. Dies war zweifellos eine der abgelegensten Gegenden, die es in diesem Land noch gab.
    Er kam um einen Felsvorsprung und blieb vor Überraschung und freudigem Staunen wie erstarrt stehen. Hier, in die schroffe Klippe

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