Der Canyon
sehr unklug von ihm. Er war zu bekannt. Die Gerüchteküche hat gebrodelt. Alle kannten seine Arbeitsweise – sein selbst gebasteltes Bodenradar und dieses Notizbuch waren legendär –, deshalb überrascht es mich nicht, dass ihm jemand gefolgt ist. Obendrein sind diese gesamten Mesas staatliches Land – untersteht alles dem Bureau of Land Management. Er hatte da eigentlich nichts zu suchen. Wenn etwas ohne behördliche Genehmigung von BLM-Land entnommen wird, ist das schwerer Diebstahl – schlicht und einfach. Und eine Genehmigung bekommen ohnehin nur ein paar ausgewählte Museen und Universitäten.«
»Warum sollte er dieses Risiko eingehen?«
»Das Risiko ist eigentlich nicht groß. Und er ist nicht der Einzige. Das meiste BLM-Land ist so abgelegen, dass man sehr gute Chancen hat, nie erwischt zu werden.«
»Was für Funde waren das, die er Ihnen gebracht hat?«
Dearborn lächelte. »Ein Gentleman genießt und schweigt. Nur so viel sei gesagt, er hat mich nie mit Kleinigkeiten belästigt. Es hieß, er könne tote Dinosaurier förmlich riechen, obwohl sie vor Millionen von Jahren verschüttet wurden.«
Er stieß ein tragisches Seufzen aus, plötzlich von einem Rosinenbrötchen mit Marmelade unterbrochen, das er sich in den Mund schob. Er kaute, schluckte und sprach weiter.
»Er hatte keine Schwierigkeiten damit, die Dinosaurier zu finden; sein Problem war nur, was er hinterher damit machen sollte. Die finanzielle Seite einer solchen Operation hat ihm immer ein Bein gestellt. Ich habe versucht ihm zu helfen, aber er hat sich immer wieder in Schwierigkeiten gebracht. Er war kein einfacher Mann, ein Einzelgänger, empfindlich, reizbar und schnell beleidigt. Er fand zum Beispiel einen Dinosaurier, den er für eine halbe Million verkaufen konnte, aber das Fossil zu bergen und in ein Labor zu schaffen, kostete ihn allein hunderttausend. Etwa dreißigtausend Arbeitsstunden sind nötig, um einen großen Dinosaurier zu reinigen und zu präparieren – vom Aufstellen ganz zu schweigen. Weathers lagen seine Dinosaurier zu sehr am Herzen, deshalb war er ständig pleite. Aber finden konnte er so gut wie alles.«
»Haben Sie eine Ahnung, wer ihn ermordet haben könnte?«
»Nein. Aber es ist nicht schwer zu erraten, was passiert sein muss. Ein paar kleine Lichter hatten begonnen, sich an seine Fersen zu heften. Wie gesagt, es hatte sich herumgesprochen. Er hat zu vielen Geologen zu viele Fragen gestellt, vor allem über das massenhafte Artensterben zwischen Kreidezeit und Tertiär. Alle wussten, dass Stem auf der Jagd war und vermutlich etwas Großes gewittert hatte. Ich nehme an, er wurde von jemandem ermordet, der ihm seinen Fund streitig machen wollte.«
Tom beugte sich vor. »Ein bestimmter Konkurrent?«
Dearborn schüttelte den Kopf, griff nach einem Eclair und schluckte es im Ganzen. »Ich kenne jeden in diesem Geschäft. Dinosaurierjäger, die auf dem Schwarzmarkt handeln, sind raue Kerle. Sie fangen bei Versammlungen Schlägereien an, rauben sich gegenseitig die Beute, lügen, betrügen und stehlen. Aber jemanden ermorden? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich vermute eher, der Mörder ist ein Neuling, oder vielleicht ein angeheuerter Spürhund, der seinen Auftrag ein bisschen zu ernst genommen hat.« Er trank seine Tasse leer und schenkte sich frischen Tee ein.
»Und diese Gerüchte, von denen Sie gesprochen haben?«
»Weathers hat ein paar Jahre lang versucht, eine Sandsteinschicht, die als Hell Creek Formation bekannt ist, bis runter nach New Mexico zu verfolgen.«
»Hell Creek?«
»Fast alle geborgenen T-Rex-Exemplare stammen aus dieser riesigen Sedimentschicht, die an verschiedenen Stellen in den Rocky Mountains zu Tage tritt, in New Mexico aber noch nie nachgewiesen wurde. Die Schicht wurde von einem Paläontologen namens Barnum Brown in Hell Creek, Montana, vor etwa hundert Jahren entdeckt, als er den ersten T-Rex auf der Welt fand. Aber Weathers hat nach mehr gesucht als Hell-Creek-Gestein. Er war von der KT-Grenze selbst besessen.«
»Der Kreide-Tertiär-Grenze?«
»So ist es. Die Hell-Creek-Schicht liegt unmittelbar unter der KT-Grenze. Diese Schicht, die nur gut anderthalb Zentimeter dick ist, dokumentiert das Ereignis, das zum Aussterben der Dinosaurier führte – den Meteoriteneinschlag. Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, wo die Gesteinsschicht der KT-Grenze unterbrochen ist. Ich glaube, das hat ihn in die Mesas von Abiquiu geführt – die Suche nach der KT-Grenze.«
»Warum hat er
Weitere Kostenlose Bücher