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Der Cartoonist

Der Cartoonist

Titel: Der Cartoonist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Costello
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Latten aus Zedernholz aus
verzerrter Perspektive von unten. Nur
    spiegelte sich
auf der geriffelten Wasseroberfläche jetzt die Silhouette eines Tauchers, der
in vorgebeugter Haltung auf dem Landesteg stand. Auf der zweiten Abbildung, die
das mittlere Drittel des Blattes einnahm, sprang der Taucher mit den Füßen
voran ins Wasser. Auf der dritten Zeichnung war die Gestalt von kopfhohen Algen
umzingelt. Während ein großer Strom von Luftblasen aus seinem Mund aufstieg,
glotzte der Taucher entsetzt auf sein Bein, das im Felsgestein festklemmte.
    Als er sich
das nächste Blatt vornahm, standen Scott Schweißperlen auf der Stirn. Der
Taucher sah ihm keineswegs ähnlich, natürlich nicht, es war ja nur ein Cartoon
... Aber Situation und Umgebung waren eindeutig wiederzuerkennen.
    Die nächste
Zeichnung zeigte, wie sich der Taucher hoffnungslos in den Algen verfangen
hatte. Die leeren Augen, die denen einer Puppe ähnelten, waren so verdreht,
dass nur noch das Weiße zu sehen war. Der Mund, in den jetzt Wasser eindrang,
war zu einem Schrei des Entsetzens aufgerissen. Über der Gestalt zeichneten
sich Rumpf und Kiel eines Bootes ab. Im Vordergrund hingen ein Tau und ein
funkelnder Anker. Im Hintergrund waren zwei blutrote, dämonische Augen zu
sehen, die boshaft aus den trüben Tiefen zum Taucher hinaufstarrten. Aus den
Felsen ragte eine von Adern durchzogene, reptilienartige Klaue, die nach den
Knöcheln des Tauchers griff.
    Die letzte
Zeichnung sah Scott wie durch einen Nebelschleier, der sich dichter und dichter
um ihn legte. Es war die Nahaufnahme einer von Algen umschlungenen Hand, die
sich vorstreckte, um das rettende Tau zu erreichen ...
    Und es
verfehlte.
    »Mister ?« , sagte eine Stimme hinter ihm. »Ist Ihnen nicht gut ?«
    Scott spürte
Gallenflüssigkeit in der Kehle. Irgendjemand drückte ihm eine Hand auf den nass
geschwitzten Rücken. »He, Sie da, Sie setzen sich wohl besser hin. Sie sehen
ganz blass um die Nase aus .«
    Scott spürte,
wie ihn Hände zum Bett des Zeichners geleiteten. »Betty«, murmelte eine andere
Stimme, »hol eine Schwester .« Scott gehorchte ohne
Widerstand. Immer noch hingen seine Augen an der letzten Abbildung.
    Bateman saß
vorgebeugt in seinem Chefsessel, die Zeichnungen hatte er vor sich auf dem
Schreibtisch ausgebreitet Seine lebhaften, haselnussbraunen Augen huschten
interessiert von Bild zu Bild. Scott, der sich inzwischen besser fühlte, saß
ihm gegenüber an dem imposanten Teakholz-Schreibtisch. Im Zimmer des Alten wäre
er fast ohnmächtig geworden.
    Umgeben von
Ordnung und gesammeltem Wissen, war Bateman in seinem Büro ganz und gar in
seinem Element. Auf seinem Schreibtisch, der auf jeder Seite von wahren Mauern
aus Lehrbüchern und Publikationen flankiert wurde, befanden sich lediglich eine
Schutzunterlage, eine ausziehbare Leselampe und ein leerer Ablagekorb für
Postein- und -ausgange. Der Rest der riesigen, glänzenden Schreibtischplatte
war leer.
    Wie ein
stummer Diener stand daneben eine kleine, schwarze Tafel, die makellos sauber
gewischt war. Vom Platz an diesem Schreibtisch aus präsidierte Bateman wie ein
Landesfürst über die Abteilung. Man hätte ihm glatt zugetraut, dass er eine
funkelnagelneue Guillotine in petto habe.
    So sehr Scott
den Snobismus des Chefs der Psychiatrie im Umgang mit den Kollegen auch
verabscheute, musste er doch einräumen, dass Bateman in seinem Beruf Hervorragendes
leistete. Als Wunderkind, das mit cum laude in Harvard promoviert hatte,
war er seinen Kollegen, was die klinische Psychiatrie betraf, tatsächlich
haushoch überlegen. In dieser Hinsicht war er wirklich phänomenal. Außerdem
hatte Bateman ein besonderes Interesse am Paranormalen, und das schloss
ungewöhnliche Dinge, Ereignisse und Menschen ein.
    Es war eine
Nebenbeschäftigung, die er so gerissen in seine Forschung hineingeschmuggelt
hatte, dass der Etat sie abdeckte. Seine Vorliebe für die Parapsychologie war
einer
    der
Hauptgründe dafür, dass seine Kollegen ihn für ein wenig verschroben hielten.
Auf einem Bücherregal über Batemans Kopf führten zwei einschlägige Werke die
Reihe von zehn oder zwölf Abhandlungen an - allesamt in Leder gebunden - die Bateman
auf diesem Gebiet verfasst hatte.
    Scott hatte
seinem Chef bereits von dem Vorfall im See berichtet und auch erwähnt, wie er
darauf gekommen war eine Verbindung zwischen der ersten Zeichnung des Alten und
der eigenen Person herzustellen.
    »Da ist ja wirklich
eine tolle Entdeckung«, stellte Bateman mit

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