Der Cartoonist
sei
jetzt für niemanden zu sprechen, und sperrte die Tür hinter sich ab. Während er
die Beine auf einen Stuhl legte, ging er die Zeichnungen gründlich durch.
Als er die
Skizzen im Zimmer des Alten zum ersten Mal gesehen hatte, war es ihm so
vorgekommen, als müsse er die ganze Katastrophe noch einmal
durchleben. Bei geschlossenen Augen hatte er tatsächlich spüren können, wie die
Algen sich um seine Haut wanden und das Wasser ihm die Kehle zuschnürte.
Mehrere Sekunden hatte er unter Schock gestanden, bis sich in seinem Kopf
schließlich die einzige Schlussfolgerung durchsetzte, die wenigstens
ansatzweise plausibel war. Zum selben Schluss war er auch am Morgen des Zwischenfalls
unter dem Landesteg gekommen. Dies alles konnte nur an irgendeinem
absonderlichen und höchst komplexen Zusammentreffen verschiedenster Umstände
liegen. Es war bloßer Zufall.
Selbstverständlich
hatte sein Verstand nach dieser Krücke gegriffen. Diese Erklärung erschien ihm
immer noch recht verlockend, allein schon deswegen, weil sie so vernünftig
klang.
Aber welcher
enorme und völlig unwahrscheinliche Zufall sollte das gewesen sein?! Abgesehen
von dem Seeungeheuer, lag der einzige Unterschied zwischen Zeichnungen und
Wirklichkeit darin, dass die Hand auf dem Cartoon das rettende Tau nicht
erreicht hatte.
Hatte sich der
Alte in diesem Punkt geirrt? Inzwischen glaubte Scott seinen Prophezeiungen,
obwohl ihm nichts lieber gewesen wäre, als die ganze Angelegenheit als völlig
verrückt abzutun. Oder hatte er selbst es irgendwie geschafft, dem ihm
vorherbestimmten Tod ein Schnippchen zu schlagen?
Er schüttelte
den Kopf. Er watete hier durch einen ganzen Sumpf von Fragen, die jeder
Vernunft spotteten.
Gleich darauf
ließ er die Zeichnungen los, so dass sie ungehindert auf die Schreibtischplatte
segelten. Wie so oft, wenn er im Büro eine ruhige Minute fand, wandte er sich
dem gerahmten Familienfoto auf dem Regal hinter sich zu. Aber das Foto stand
nicht am gewohnten Platz.
Scott sprang
so hastig auf, dass er die verletzte Hüfte strapazierte. Nachdem er einen
Augenblick lautlos vor sich hin geflucht hatte, durchsuchte er das ganze Büro
nach dem Bild.
Schließlich
meldete er sich über die Gegensprechanlage bei seiner Sekretärin.
»Ja, Dr.
Bowman ?« , war Claires Stimme zu hören.
»Aus meinem
Büro ist ein Foto verschwunden, Claire, das Foto von meiner Familie. Vermissen
Sie auch irgendetwas ?«
»Nicht dass
ich wüsste, Doktor, aber ich werd mal genauer nachsehen .«
»Ja bitte,
wenn's nicht zu große Mühe macht. Noch etwas, Claire: Erkundigen Sie sich, wer
hier sauber gemacht hat Kann ja sein, dass das Foto beim Putzen
heruntergefallen und der Rahmen zerbrochen ist Und dann haben die aus Angst
nichts gesagt. Aber an diesem Foto hab ich besonders gehangen, und ich kann es
nicht wieder abziehen lassen, weil ich kein Negativ besitze .«
»Wird erledigt .« Claire schaltete die Sprechanlage aus.
Etwas
durcheinander nahm Scott wieder Platz und fuhr sich mit den Händen unbewusst an
die Hüfte. In letzter Zeit hatte es in der Klinik einige Probleme mit kleineren
Diebstählen gegeben: Aus unbeaufsichtigten Handtaschen war Geld verschwunden,
aus offenen Garderoben Kleidung entwendet worden. Das Klauen hatte so lange
angehalten, bis man schließlich zwei Leute vom Putzpersonal dingfest gemacht
hatte. Einige der vermissten Dinge waren in ihren Spinden wieder aufgetaucht.
Allerdings begriff Scott nicht ganz, was irgendjemand mit einem Foto anfangen
sollte - bis ihm wieder einfiel, dass der Messingrahmen eine Antiquität und
kostbar war. Aber warum fehlte dann nichts anderes?
Mit einem
letzten skeptischen Blick auf die Zeichnungen verstaute er sie in einer der
oberen Schreibtischschubladen. Danach rief er bei Steve Franklin an.
12
Als Scott am
späten Nachmittag die letzten der längst überfalligen therapeutischen
Abschlussberichte diktierte - es hatte
sich jede
Menge angesammelt meldete sich seine Vorzimmerdame über die Gegensprechanlage.
»Ein Anruf für Sie, Doktor, die Hämatologie.« Ehe Scott den Anruf entgegennahm,
ließ er sich einen Moment Zeit, weil er seine Beine in eine bequemere Position
bringen wollte. Vorhin hatte Steve Franklin seine Hüfte geröntgt und untersucht
und ihm mitgeteilt, die Gelenkkapsel sei im Kern geschädigt. Nichts Ernstes,
aber, wie Scott schon vermutet hatte, eine Sache, die sich im Laufe der
kommenden Jahre immer wieder bemerkbar machen würde - höchstwahrscheinlich
sogar sein Leben
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