Der Cartoonist
Schreck. Er hatte völlig vergessen, dass sie seinen
Volvo genommen hatte.
Auf dem Weg in
die Stadt drehte er das Radio fast auf volle Lautstärke, damit es das Geratter
des Chevette übertönte. Es war ein grauer, trüber Tag. Und es sah ganz danach
aus, als könne es bis in alle Ewigkeit so bleiben.
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Wie der
Verkäufer im Foto-Shop ihm mitteilte, würden die Abzüge in einer Stunde fertig
sein, er könne, falls er wolle, darauf warten. »Vielleicht möchten Sie in der
Zwischenzeit auf einen Kaffee und Donuts ins Dunkin gehen? Ist gleich
nebenan .«
Das war ihm
recht. Der Kaffee ging ihm herunter wie süße, warme Medizin.
Während er auf
die Fotos wartete, war er seltsam aufgeregt. Unmittelbar nach dem Erlebnis, bei
dem er fast ertrunken
wäre, hatte er
den alten Künstler und die eigenartige Zeichnung, die etwas tief in seinem
Gedächtnis Vergrabenes geweckt hatte, beinahe vergessen. Seine durch und durch
rationale Einstellung dazu hatte sich in der Zwischenzeit nicht geändert:
Sicher würde sich alles als völlig belanglos erweisen.
Und dennoch
...
Er trank den
Kaffee aus und verließ das Dunkin'Donuts. Als er zum Foto-Shop
zurückkehrte, liefen seine Abzüge gerade über das schmale Transportband; er
konnte sie durch die Seitenwände aus Plexiglas erkennen.
Bei den ersten
Fotos musste er lächeln: Es waren Schnappschüsse vom ersten Weihnachtsfest, das
sie im neuen Haus gefeiert hatten.
Ganz oben lag
eine Aufnahme von Kath, die vor dem mit Spielzeug und Lametta geschmückten Baum
hockte und mit den schönsten ihrer zahlreichen Weihnachtsgeschenke angab. Dann
folgte ein Bild von Krista und ihm, das Kath geknipst hatte, wobei sie einen
Finger dilettantisch vor die Linse gehalten hatte. Krista, die vor Freude
feuchte Augen hatte, umarmte ihn. Ihre neuen (und keineswegs billigen)
Diamantohrringe funkelten prächtig im Schein des Blitzlichts. Und hier war noch
eines von Kath, die eine neue blaue Skijacke über dem baumwollenen Schlafanzug
mit Alf-Motiven trug. Auch die folgenden Bilder lösten allesamt schöne
Erinnerungen aus.
Und dann kam
langsam die algengrüne, unterbelichtete Aufnahme das Transportband hinunter,
die er unter dem Anlegesteg geschossen hatte.
Scott
schnappte mühsam Luft. Es war zwar ein lausiges Foto, würde aber seinen Zweck
erfüllen. Er würde es mit der Zeichnung vergleichen können.
Auf den
letzten beiden Abzügen war überhaupt nichts zu sehen.
Während sich
seine Neugier mit jeder Minute verdreifachte, bezahlte er die Fotos und brach
zur Klinik auf.
Er ging direkt
ins Zimmer des Alten, fand dort aber keine Spur von ihm. Das Bett war
ordentlich gemacht, der Rollstuhl fehlte. Als Nächstes sah Scott im
Aufenthaltsraum nach. Nachdem er festgestellt hatte, dass dort niemand saß,
trat er ins Schwesternzimmer nebenan.
»Entschuldigung«,
sagte er zu der Dienst habenden Schwester, »wo ist der Patient aus 209 C ?«
»Der
Zeichner?« Die Schwester kicherte. »Der ist mit seinen Kumpels draußen, macht
mit dem Bus ´nen Ausflug in den Sonnenschein. Ist vorgeschrieben, dass die
Tattergreise einmal in der Woche an die Luft kommen, ob sie's mitkriegen oder
nicht .« Sie kreuzte die fälligen Arme über der
ausladenden Brust. »Warum? Haben Sie heute wieder Studenten da ?«
»Nein, ist
auch nicht so wichtig, danke. Ich sehe dann später nach ihm .«
Enttäuscht
ging er zu einem Telefon, um eine Nachricht für Steve Franklin, den
orthopädischen Chirurgen, durchzugeben. Doch während er den Hörer abnahm, kam
ihm plötzlich eine Idee. Er legte wieder auf und kehrte hastig ins Zimmer des
Alten zurück.
Nach kurzer
Suche fand er die Künstlermappe, die jemand so, dass sie nicht zu sehen war,
hinten im Schrank des Alten verstaut hatte. Außer ihm selbst befanden sich nur
ein Patient und seine beiden Besucherinnen im Zimmer, die Scott kaum
beachteten, während er die Mappe sorgfaltig durchging.
Als Scott das,
wonach er suchte, gefunden hatte, wich alles Blut aus seinem Gesicht. Die
einzige Zeichnung, die er am Freitag gesehen hatte, bildete jetzt nur noch den
Auftakt einer unglaublichen Serie von Cartoons, die zwei Blätter ganz und gar
füllten. Während er sie musterte, zitterten ihm die Finger.
Es konnte
keinen Zweifel mehr daran geben, dass die Zeichnung seinen Landesteg
darstellte, das erkannte er deutlich, ohne sie erst mit dem Foto vergleichen zu
müssen. Die erste Skizze sah genau wie vorher aus: Sie zeigte die gerippten
Fässer, die Ornamente mit der weißen Rose und die
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