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Der Cartoonist

Der Cartoonist

Titel: Der Cartoonist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Costello
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verlaufen, aber der alte Hausarzt hatte ihn als Warnzeichen
betrachtet und sich dafür entschieden, sechs Monate zu pausieren. Scott, der
darauf aus war, sich eine kleine finanzielle Reserve anzulegen, ehe er
    sich
spezialisierte, war im hinteren Teil einer Ärztezeitschrift, der Zeitschrift
der Kanadischen Ärztevereinigung, auf Friths Anzeige gestoßen und hatte sich
beworben. Wie sich herausstellte, war seine Bewerbung die einzige gewesen.
    Frith führte
seine Praxis nach einem einfachen System: Er hatte zwei Untersuchungs- und
Behandlungsräume, zwischen denen er hin- und herpendelte. Seine Arzthelferin,
eine Teutonin namens Eva Underhoffer, mit der nicht zu spaßen war, sorgte
dafür, dass die Praxis wie eine gut geölte Maschinerie lief. Scott musste nur
von einem Raum zum anderen wechseln, um dort einen neuen Patienten lächelnd und
auf ihn wartend vorzufinden - das Wiegen und die Urinproben waren bereits
erledigt.
    An diesem Tag
hatte die Arzthelferin, nachdem sie eine ältere Diabetikerin gewogen hatte,
Scott beiseite genommen und ihn in ihrem schroffen, überheblichen Ton
angekündigt, er werde seine nächste Patientin vielleicht als »ein wenig
unangenehm« empfinden - wie die Underhoffer es in der ihr eigenen diskreten
Terminologie auszudrücken beliebte. Es handle sich um ein junges Mädchen (einen
»Hie-ppy«), das in »andere Umstände« geraten sei und jetzt nach einem Ausweg
suche. Auf solche Ansinnen konnte die Underhoffer nur mit finsteren Blicken und
eifernder Selbstgerechtigkeit reagieren.
    Flankiert von
der Arzthelferin, deren Waden ihn an Fässer erinnerten, hatte sich Scott in
Raum 2 begeben und dort Krista Draper, damals noch Teenager, vorgefunden. In
ein Laken gehüllt, hatte sie auf dem Untersuchungstisch gesessen und war bei
seinem Anblick heftig errötet. In dieser Anfangszeit war Scott sowieso stets
nervös gewesen, als Arzt noch ein Grünschnabel, der mit einem Kopf voll
auswendig gelernter Fakten samt einer schwarzen Tasche voller Unerfahrenheit
durch die Gegend taumelte. Aber irgendetwas an diesem Mädchen hatte ihn sofort
umgehauen. Nichts, das er damals mit einem Namen hätte belegen können.
Vielleicht war es etwas in diesen großen, gletscherblauen Augen, in ihrem
    forschenden,
aufgeweckten Blick. Was immer es auch war, jedenfalls ertappte er sich
plötzlich dabei, dass er einen trockenen Mund hatte, stotterte und kaum in der
Lage war, die Arzt-Patienten-Farce durchzuziehen. Wäre er impulsiver (und sehr
viel weniger professionell) gewesen, hätte er vielleicht gesagt: »He, wie
wär's, wenn wir beide in die Stadt gehen, uns ein Eis holen, ein bisschen auf
der Mole entlangschlendern und diese ganze Sache mit der Abtreibung wie zwei
vernünftige Erwachsene durchsprechen.« Stattdessen hatte er all die Fragen
gestellt, die von ihm erwartet wurden, auf ihrer Karteikarte Notizen
eingetragen (Frith hatte die Karte peinlich genau alle achtzehneinhalb Jahre
ihres Lebens hindurch geführt) und sie anschließend untersucht.
    Und dieses
eine Mal war Scott tatsächlich froh gewesen, dass er Friths dicke, übereifrige
Arzthelferin dabei hatte. Der stählerne Blick aus ihren nordischen Augen hatte
dafür gesorgt, dass er sich überaus professionell verhielt. Dennoch hatte er
Notiz von diesem Mädchen genommen, von ihrer glatten, olivbraunen Haut, von dem
dichten Schamhaar, von der Wärme, in die seine behandschuhten Finger
eintauchten. Später hatte er Ekel vor sich selbst... und dennoch eine seltsame
Hochstimmung empfunden.
    Als sie sich
ein paar Tage später zufällig trafen, geisterten beide aus ganz
unterschiedlichen Gründen abends auf der Mole herum: Scott sehnte sich nach
einer Familie und seinem Zuhause und wägte das Für und Wider einer
Zusatzausbildung zum Facharzt ab; Kristas Gedanken schwankten zwischen
Abtreibung und Selbstmord hin und her. Bei der Vorstellung, dass Krista seine
völlig unangemessene Erregung im Untersuchungszimmer der Frith'schen Praxis
wahrscheinlich bemerkt hatte, war Scott vor Verlegenheit rot geworden. Aber Krista
war in ihre eigenen turbulenten Gedanken versunken gewesen, fast hätte sie ihn
jetzt nicht wiedererkannt.
    Als er auf Krista
stieß, saß sie auf dem zerfallenden Ausläufer der Mole, hatte den Blick
verträumt in die Ferne gerichtet und musste auf jeden, der sie dort sah, wie
eine wunderliche
    Gestalt aus
vergangenen Jahrhunderten wirken, die darauf wartete, dass das Schiff ihres
Geliebten in der Dünung auftauchte. An diesem Abend hatte sie sich

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