Der Cartoonist
völlig
still ist mir aufgefallen. Wahrscheinlich hat mich die Stille dazu gebracht, an
Sally zu denken .« Als Clayton seinen Sitz verlagerte,
beschwerten sich die rostigen Sprungfedern des alte Sofas. »Es war völlig still. Ich meine, es hat nicht mal 'ne Grill gezirpt.
Seltsam, wenn ich jetzt darüber nachdenke. Einfach totenstill,
außer dass ab und zu ein Sattelschlepper auf der fünfundneunzig vorbeigebrummt
ist.
Und dann hör
ich plötzlich dieses durchdringende Hupen Irgend so ein Esel, denk ich noch,
vielleicht einer von den Teevens-Jungs, der da durch die Gegend fährt. Aber
diese Hupe dröhnt weiter und weiter und erschreckt inzwischen schon die Kühe.
Naja, ein Weilchen hab ich es einfach nicht beachtet, wissen Sie. Aber als das
zehn oder fünfzehn Minuten so ging, kam mir der Gedanke, dass es vielleicht
einen Unfall gegeben hat. Also bin ich mit der Taschenlampe über das Südfeld
zur Landstraße fünf - die haben Sie sicher auch genommen, von der Schnellstraße
aus, nur vom anderen Ende her.
Und da hab ich
Ihren Wagen entdeckt. War auf die Friedhofsmauer geprallt, unten am Fuß des
Hügels .« Clayton schwieg kurz. Offenbar machte ihm die
Erinnerung daran zu schaffen. »Meine Güte, mir war ganz schön mulmig, als ich
da auf der Straße stand und zu dem Wagen hinuntersah, wo sich nichts rührte und
die Hupe immer noch dröhnte. Will ja nicht wie ein Waschlappen klingen, ich
meine, ich hatte keine Angst vor dem, was ich vielleicht sehen würde. War nur
so ein Gefühl, mehr kann ich dazu nicht sagen ... Aber am liebsten hätte ich
auf der Stelle kehrtgemacht und wäre davongelaufen. Es lag was in der Luft,
weiß nicht, was. Irgendein Geruch. Es stank nach Verwesung, aber so, als sei
sie schon sehr weit fortgeschritten. Wissen Sie, was ich meine ?«
Scott
erwiderte nichts, dachte jedoch an den Geruch in der Umgebung von Kristas
Leichnam und den ganz ähnlichen Gestank im Wagen.
»Schließlich
hab ich mir da draußen selbst gut zugeredet:
Komm,
schon, Clay, sag ich, setz deinen Arsch, in Bewegung. Angenommen,
jemand ist verletzt?!«
»Haben Sie in
der Nähe irgendwas gesehen ?« , fragte Scott.
»Vielleicht irgendetwas, das sie mit dem Wagen erwischt haben könnte? Ein
großes Tier ... oder sonst etwas?«
»Na ja,
irgendwas hab ich tatsächlich gesehen oder hab's zumindest geglaubt, denn genau
in diesem Moment hat sich eine Wolke vor den Mond geschoben. Irgendwas hat sich
auf dem Friedhof gerührt .«
»Was war es ?« , fragte Scott mit erhobener Stimme, in der eine leichte
Drohung mitschwang. »Was haben Sie gesehen ?«
»Kann ich
nicht mit Sicherheit sagen. Kommt immer mal wieder vor, dass irgendwelche Kühe
ausbüxen und sich auf den Friedhof verirren, wo sie auf der Wiese grasen ...«
»Also gut, wie
sah's denn aus ?« , bohrte Scott weiter.
Der Argwohn
stahl sich erneut in Claytons Augen. »Kann ich nicht sagen, mein Freund. Könnte
ein Tier gewesen sein, vielleicht auch nur ein Schatten oder meine
alkoholisierte Fantasie .«
Oder ein
Mann, sagte sich Scott und dachte an die Zeichnungen. Konnte es
sein, dass sie einen Mann mit dem Auto erwischt hatte? Das kam ihm recht unwahrscheinlich
vor. Falls ja, wo war er jetzt? Einen solchen Zusammenstoß konnte doch sicher
niemand überlebt haben.
Clayton nahm
einen großen Schluck Bier, so dass es gluckerte, und wartete ab, ob Scott noch
mehr sagen würde. Aber dessen Augen hatten sich mit einem Schleier überzogen,
wirkten gedankenverloren und entrückt.
»Ihre Frau war
schon tot«, sagte Clayton. »Gott sei ihrer Seele gnädig. Und Ihre kleine
Tochter ... Naja, sie stöhnte und ...«
Er brach
mitten im Satz ab und wandte seinen Blick dem Kater mit den ausgefransten Ohren
zu, der sich an seinen Knöcheln rieb.
»Und was, Mr
Barr?«
»Naja, sie hat
gestöhnt und irgendwie vor sich hin gestarrt.
Der Mund war
aufgerissen und seltsam verzerrt, als ob sie schreien wollte, aber es kam kein
Ton heraus .«
Scott kannte
diesen Gesichtsausdruck. Als er aufstehen wollte, streifte er mit dem Ellbogen
die unberührte Bierflasche, so dass sie hinunterfiel. Aufschäumendes Bier
schoss heraus und verteilte sich mit gelblichen Blasen in kleinen Pfützen auf
dem Boden. Er erstarrte mitten in der Bewegung, was so wirkte, als habe man mit
einer Polaroid-Kamera einen Mann im Bild festgehalten, der in diesem Moment von
einem Sessel aufsteht ... oder vielleicht gerade Platz nimmt. Scott hatte keine
Ahnung, was er jetzt tun sollte.
»Machen Sie
sich nichts daraus
Weitere Kostenlose Bücher