Der Cartoonist
noch mal!
»Versuch es .«
»Wir sind
gefahren ...«, sagte Kath mit Babystimme, »und haben gesungen ...«
»Große,
grüne Klumpen von grässlichen Gedärmen«, sang sie mit einer Stimme, die
ebenso wehmütig wie jenseitig klang. Die Stimme traf Scott so tief in seinem
Inneren, als habe er gerade eine Botschaft aus dem Reich der Toten erhalten.
Gleich darauf verdrehte Kath die Augen, während sich ihre Hände zu Fäusten
ballten. Er wollte sie unterbrechen und gleichzeitig, dass sie weitermachte und
ihm sagte, was sie gesehen hatte. Als er nach ihrer Hand greifen wollte, entzog
sie ihm diese mit einem Ruck.
»Wir waren
unterwegs und haben gesungen ... haben gesungen und sind gefahren und ... Ach,
es tut mir so Leid, dass du jetzt tot bist, du armes altes Murmeltier... Und
... und dann ... haben wir ihn erwischt... Er war tot und wir haben ihn mit dem
Wagen erwischt...«
»Wer war tot?
Das Murmeltier?«
»Ich kann mich
nicht daran erinnern !« , schrie Kath mit schriller
Stimme. Und dann verzerrte sich ihr Mund zu diesem Bogen hellen Entsetzens,
während ihr Gesicht zu zucken begann. Das Zucken breitete sich aus, wurde zu
heftigem Zittern, das wie eine Welle durch ihren Körper lief.
Oh, mein
Gott, sie bekommt wieder einen Anfall!
Doch als er
sie in die Arme nahm und fest an sich drückte, ging die Krise vorüber. Kurz
darauf entspannte sich ihr Gesicht und verzog sich danach zu einem Weinen.
Die Schwester,
die bei Kaths Geschrei ins Zimmer geeilt war, ließ Scott wieder allein, damit
er seine Tochter trösten konnte.
»Ich kann mich
nicht daran erinnern, Daddy«, sagte Kath. »Wirklich nicht.«
Scott wiegte
sie hin und her, behielt sie im Arm und versicherte ihr, das sei schon in
Ordnung, es spiele keine Rolle. Irgendwann später ließ er sie aufs Bett
zurücksinken wo sie, einen Arm liebevoll um Jinnie geschlungen, einschlief
29
Scott brachte
den gemieteten Ford Pinto direkt vor dem lang gestreckten Schotterweg, der die
Auffahrt zu dem Bauernhaus bildete, zum Stehen und betrachtete die
durchgesackten, grauen Verschalungsplanken, die früher einmal weiß gewesen
waren. Auf beiden Seiten des Hauses standen verwitterte, schwärzliche
Außengebäude, die friedlich vor sich hin moderten. Auf der angrenzenden Weide drängten
sich Kühe unter einer riesigen alten Eiche zum Schutz gegen den Nieselregen eng
aneinander.
Es war nicht
schwer gewesen, das Bauernhaus zu finden. Holley hatte ihm den Weg genau
beschrieben, und der mit großen schwarzen Lettern auf den Briefkasten gemalte
Name war schon aus hundert Metern Entfernung zu lesen gewesen. Erst jetzt, als
Scott überlegte, was er Clayton Barr sagen sollte - dem Mann, dessen
rechtzeitiges Eingreifen Kath das Leben gerettet hatte — fragte er sich: Was
mache ich hier überhaupt?
Tatsächlich
war ihm das keineswegs klar. Abgesehen davon, dass er sich bei ihm bedanken
wollte, hatte er keine Ahnung, was er eigentlich bei Mr. Barr suchte. Und er
wusste auch nicht, wonach er später Ausschau halten sollte, wenn er, wie er
sich vorgenommen hatte, zum Schauplatz des Unfalls hinausfahren würde. Ihm war
lediglich bewusst, dass er jetzt hier war, dass er vom Krankenhaus hatte
fliehen müssen, weg von Holley und dessen Formularen, die auf seine
Unterschrift warteten, weg von der unsichtbaren Gegenwart eines Leichnams, der Kristas
Hülle war. Holley hatte er mitgeteilt, er benötige die Adresse des Bauern, weil
er kurz hinfahren und sich vor dem Abflug nach Kanada bei ihm bedanken wolle.
Und natürlich war das auch keineswegs gelogen ...
Ach komm
schon, drängte ihn eine innere Stimme. Du weißt doch, warum
du in Wirklichkeit hier bist.
Scott holte
die Zeichnungen aus der Hemdtasche - es war dasselbe Hemd, das er seit
achtundvierzig Stunden Tag und Nacht getragen hatte - und faltete sie
sorgfältig auseinander.
Ja, er glaubte
zu wissen, warum er jetzt hier und nicht im Krankenhaus war, um dort die nötigen Dinge zu veranlassen. Es lag an diesen verdammten Zeichnungen und
den bohrenden Fragen, die deren Existenz aufwarfen.
Als er auf die
Zeichnungen blickte, wurde ihm eiskalt ums Herz.
Irgendetwas
war auf die Windschutzscheibe des Volvo geprallt, so viel war sicher. Es war
die einzige Erklärung für das Glas im Innenraum des Wagens. Es hätte ja etwas
so Simples wie ein Steinschlag oder ein herausragender Ast sein können, aber
Scott hatte im Wagen nichts entdeckt, das darauf hindeutete. Es gab auch keine
Anzeichen dafür, dass irgendein großes Tier,
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