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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dem Hintertheile des Flosses geblieben, da er die Ueberwachung jener Niemandem anvertrauen wollte.
    Am Morgen gehe ich auf ihn zu. Kaum grautder Tag, und mit den brennenden Augen sucht der Angler schon die Dunkelheit des Wassers zu durchdringen. Er hat mich weder schon gesehen, noch kommen hören.
    Ich berühre leise seine Schulter; er wendet sich halb erschrocken um.
    »Nun, wie steht's, Bootsmann?
    – Die verdammten Haifische haben mir den Köder weggeschnappt! antwortet er mit tonloser Stimme.
    – Und sie haben keinen mehr?
    – Nein! Und wissen Sie, was damit bewiesen ist? fügt er hinzu und drückt mir den Arm. Damit ist bewiesen, daß man nichts blos halb thun soll ...«
    Ich lege meine Hand auf seinen Mund; ich habe ihn verstanden!
    Armer Walter! ...

XLII.
    Am 9. und 10. Januar.
    – Heute herrscht in der Atmosphäre um uns wieder vollkommene Ruhe. Die Sonne brennt, die Brise schweigt ganz und gar und keine Furche unterbricht die langen Wellen des Meeres, das sich unmerklich hebt. Wenn keine Strömung vorhanden ist, deren Richtung wir nicht zu bestimmen im Stande sind, so muß das Floß ganz unbeweglich fest stehen.
    Ich sagte, daß die Hitze heute unerträglich sei; unser Durst ist aber in Folge dessen noch weit unerträglicher. Zum ersten Male leiden wir ganz entsetzlichvon dem Mangel an Wasser, und mir wird es nun deutlicher, daß die Qualen des Durstes noch schrecklicher sind, als die des Hungers. Schon hat sich bei den Meisten von uns der Mund, der Schlund und der Kehlkopf vor Trockenheit zusammengeschnürt, und die Schleimhäute verhornen fast durch die warme Luft, welche das Athmen ihnen zuführt.
    Auf meine Bitte geht der Kapitän für dieses Mal von dem gewohnten Régime ab. Er erlaubt eine doppelte Wasserration, und wir haben an diesem Tage unseren Durst vier Mal, wohl oder übel, stillen können. Ich sage »wohl oder übel«, denn dieses auf dem Boden der Tonne befindliche Wasser ist trotz der Bedeckung mit einem nassen Segel ganz lauwarm geworden.
    Alles in Allem ist heute ein böser Tag, und von Neuem verfallen die Matrosen unter den Qualen des Hungers der Verzweiflung.
    Auch bei Aufgang des Mondes hat sich die Brise nicht wieder erhoben. Da aber die Nächte in den Tropen immer etwas frisch sind, so gewährt das uns doch einige Erleichterung; während des Tages aber bleibt die Temperatur ganz unerträglich, und diese so auffällige Erhöhung derselben unterstützt die Meinung, daß wir weiter nach Süden getrieben sind.
    Nach dem Lande auszulugen, hat man jetzt ganz aufgegeben. Der ganze Erdball scheint nur noch eine Wasserkugel zu sein – immer und ewig der grenzenlose Ocean!
    Am 10. dieselbe Ruhe, dieselbe Hitze. Der Himmel gießt nur einen Feuerregen auf uns herab, und wir athmen glühende Luft. Unser Bedürfniß zu trinken wächst ohne Maß, und wir vergessen fast die Pein des Hungers; mit solcher Gier erwartenwir den Augenblick, bis Robert Kurtis die wenigen Tropfen unserer Wasserrationen austheilt. O, könnten wir uns nur einmal satt trinken, könnten wir unseren Vorrath erschöpfen und dann sterben!
    In diesem Augenblicke, – es ist jetzt Mittag, – wird einer unserer Gefährten von den heftigsten Schmerzen ergriffen, die ihm manchen gräßlichen Schrei auspressen. Es ist der elende Owen, der im Vordertheil liegend sich unter schrecklichen Convulsionen krümmt.
    Ich schleppe mich zu ihm hin. Was er auch verbrochen haben mag, die Menschlichkeit gebietet es, zu versuchen, ob ihm einige Hilfe zu bringen ist.
    Aber gleichzeitig stößt der Matrose Flaypol einen lauten Schrei aus; ich drehe mich um.
    Flaypol ist am Maste in die Höhe geklettert, und seine Hand zeigt nach Osten gegen den Horizont.
    »Ein Schiff!« ruft er.
    Schnell sind Alle auf den Füßen. Eine Todesstille herrscht an Bord. Auch Owen vergißt seine Schmerzen und hat sich mit erhoben.
    Wirklich ist in der von Flaypol bezeichneten Richtung ein weißlicher Punkt sichtbar. Aber ändert er denn seine Stelle? Ist es ein Segel?
    Was denken die Seeleute darüber, welche ja dafür ein so scharfes, geübtes Auge haben?
    Ich beobachte Robert Kurtis, der mit gekreuzten Armen den weißen Punkt in's Auge faßt, seine Wangen springen vor, alle Theile seines Gesichtes sind in Folge der Zusammenziehung der kreisförmigen Augenmuskeln emporgedrängt, seine Augenbrauen runzeln sich, seine Lider sind halb geschlossen, und er concentrirt in seinem Blicke alle ihm zu Gebotestehende Sehkraft. Wenn jener weiße Punkt ein Segel ist, wird er sich

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