Der Chaos-Pakt

nördlich der Steinbrücke, waren verlassene Molen zu sehen. Ein Teil der Klippe war zu Terrassen umgebaut worden, damit man die Anlegestellen erreichen konnte. Der größte Teil der Stadt lag auf einer etwa zehn Ellen hohen Klippe oberhalb des Flusses. Nylan fiel auf, dass der Fluss mehr Wasser führte als gewöhnlich, denn am Ostufer standen Bäume und Büsche im unruhigen braunen Wasser. Am Westufer erreichte das Wasser gerade die hölzernen Piere.
    »Daa... waahdah, wahdah«, rief Weryl hinter ihm.
    »Ja, da unten ist Wasser. Eine Menge Wasser.« Nylan nahm sein Pferd herum und beobachtete die letzten Bewaffneten, die gerade über die Brücke kamen. Huruc folgte ganz am Schluss der Kolonne.
    Ein Gesicht fiel ihm auf, ein stämmiger Mann mit braunem Haar, der anscheinend im Rang eines Truppführers stand. Der Unteroffizier sah Nylan lächelnd an. »Ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass Ihr eines Tages für Lornth Waffen tragt, Ser Engel.«
    »Es sind schon seltsamere Dinge geschehen als dies«, antwortete der Schmied, während er sich den Kopf zermarterte, um sich zu erinnern, woher er den Mann kannte.
    »Tonsar«, flüsterte Ayrlyn.
    »Und nun wollt Ihr gegen die Cyadoraner kämpfen, Tonsar?«, fragte Nylan, dankbar für Ayrlyns Hilfe.
    »Ich kann nicht gerade sagen, dass ich darauf brenne«, erwiderte Tonsar grinsend. »Aber ich und meine Jungs, wir werden tun, was wir können.«
    »Das will ich doch hoffen«, grollte Huruc, der gerade zu ihnen gestoßen war. »Und nun weiter, Engel, immer zwei und zwei.« Der Anführer der Truppe deutete zur zweiten Brücke. »Folgt einfach der Hauptstraße bis zum anderen Ende der Stadt. Die Kaserne ist dort drüben, aber ich werde Euch eingeholt haben, ehe Ihr sie erreicht.«
    Die untergehende Sonne brannte in Nylans Augen, als er die Stute auf die Brücke lenkte. Die Hufe hallten laut auf dem Pflaster der Zufahrt und dem ersten Abschnitt der Brücke.
    Er beugte sich zu Ayrlyn hinüber. »Danke. Ich wusste, dass er derjenige war, der uns nach Lornth geführt hat, aber ich konnte mich einfach nicht an seinen Namen erinnern.«
    »Tonsar, der nicht will, dass man von ihm sagt, er hätte eine ganze Familie hingemordet? Und daran kannst du dich nicht erinnern?« Ayrlyn lächelte.
    »Nein«, antwortete Nylan betreten. »Namen konnte ich mir noch nie gut merken.«
    Die Hufe der Stute polterten über die Balken im mittleren Teil der Brücke, dann wieder über das Pflaster auf der anderen Seite, als Nylan eine etwas breitere Straße entlang zu einem Platz ritt, der etwa hundert Ellen weiter im Westen lag.
    Rohrn war eine kleinere Ausgabe von Lornth. Manche Gebäude waren aus dem rosafarbenen Granit gebaut, den sie schon kannten, manche bestanden aus anderem Stein und waren verputzt. Allerdings schien Rohrn älter zu sein als Lornth und an manchen Gebäuden war der Putz stellenweise ausgebessert. Nylan lenkte die Stute an einer langen Reihe von Schlaglöchern vorbei über das rissige Pflaster der Hauptstraße. In manchen Löchern stand sogar noch das Wasser. Einige Häuser waren teils mit Läden gesichert und weiß getüncht, doch hatte sich mit der Zeit ein rötlich-grauer Staubschleier über alle Oberflächen gelegt.
    Eine Mücke kam vor einem mit Läden verrammelten Haus aus dem Schatten herangesurrt. Nylan wedelte sie weg, immer noch von der niedrig stehenden Sonne geblendet.
    »Vor uns ist ein Platz«, bemerkte Ayrlyn.
    Nylan nickte und drehte sich um, als er hinter sich schnellere Hufschläge hörte. Huruc überholte gerade seine Truppe auf der linken Seite.
    »Jetzt haben wir es nicht mehr weit«, sagte der Waffenmeister, indem er sein Pferd zügelte und tief Luft holte. »Ich hasse es, durch so schmale Straßen zu reiten.«
    Drei Frauen in braunen Hosen, die ihre Körbe vor den Füßen abgestellt hatten, beobachteten von der Veranda der Krämerei aus Nylan, Ayrlyn und die Soldaten, die ihnen folgten.
    »... ein trauriger Anblick ... ein alter Mann und eine Frau führen die Truppen aus Lornth an ... haben sogar ein Kind dabei ... traurig ...«
    »... Ser Gethen vielleicht ...«
    »... sagt, er sei ein großer Mann, und der Kerl da ist eher klein ... Gethen hat andere Haare ...«
    Nylan schnaubte. »Wenn sie mich nicht für eine Frau halten, dann halten sie mich für einen alten Mann.«
    »Ich weiß ja, dass du es nicht bist.«
    »Ich auch«, stimmte Huruc zu.
    Vor einer niedergebrannten Ruine, die früher einmal ein Gasthof gewesen sein mochte, pendelte ein Schild an