Der Chaos-Pakt
grünen Schein gedämpft, aber es war hell genug, dass drunten niedrigere Pflanzen gedeihen konnten. Unter dem hohen Blätterdach wuchsen kleinere Bäume und Büsche, aber keiner berührte den anderen.
»Das ist ganz anders hier. Ich hätte nicht gedacht ...«
»Nach draußen hin wirken die Bäume fast wie eine abweisende Mauer«, meinte Ayrlyn.
Nylan nickte und näherte sich einer purpurnen Trompetenblume, deren Staubfäden wie goldene Noten aus dem Bauch eines Blumeninstruments herauszuquellen schienen – ähnlich den Noten, die Weryl aus Ayrlyns Lutar aufgefangen hatte. Rings um die Trompetenblume standen kleinere Pflanzen, die an winzige weiße Siebensterne erinnerten. Auch sie hatten jede einen Platz für sich. Nylan spürte das Gleichgewicht, das sie alle miteinander verband.
»Jetzt könntest du singen, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, ob ich ausgeglichen genug bin. Ich hatte in der letzten Zeit Angst, die Lutar in die Hand zu nehmen.«
Werde ich jemals wieder im Gleichgewicht sein? ... So viele Tote ... das Töten ...
Als er ihre Gedanken und Gefühle auffing, drückte er ihre Hand. »Du bist im Gleichgewicht – oder du wirst es bald wieder sein.«
Die beiden schauten auf, als ein musikalischer Ruf ertönte.
In einem kleinen Baum mit graugrünen Blättern rechts neben dem Weg raschelte es. Halb sah und halb spürte Nylan eine Art Baumratte, die eilig verschwand. Der Eindruck des tiefen Gleichgewichts wurde rings um sie immer stärker, während zugleich ein hässliches Ungleichgewicht von außen her den Wald zu belagern schien.
»Der Wald ist eine Oase der Ausgeglichenheit«, sagte die rothaarige Frau. Sie bückte sich und roch an einer zarten grünweißen Blume mit vier Seitentrieben. »Warum ...« Warum wollten die alten Rationalisten ihn nur zerstören?
Angesichts der unausgesprochenen Frage runzelte Nylan die Stirn. »Macht ... das ist doch immer das Motiv, das die Menschen antreibt. Nur die Verbindung ist mir noch nicht ganz klar.«
»Lass uns weitergehen. Denk nicht darüber nach, lass dein Unterbewusstsein daran arbeiten.«
Er tastete unwillkürlich nach der Klinge an der Hüfte, als er an die Cyadoraner dachte, und in seinem Bauch krampfte sich etwas zusammen. Antworten hatte er immer noch keine und die Zeit drängte, aber er holte tief Luft und versuchte sich zu entspannen. Manche Dinge konnte man nicht erzwingen, ganz egal wie sehr man unter Zeitdruck stand.
CXXII
» I st alles bereit, Queras?«, fragte Lephi. Er lehnte sich auf dem Malachitthron etwas zurück.
»Ich wollte damit beginnen, die Vorhut übermorgen loszuschicken, Euer Majestät.« Der Marschall nahm auf dem grünen Teppich Haltung an und verneigte sich.
»Warum so spät?«
»Die Zehnte Kompanie der Spiegellanzenreiter ist erst gestern eingetroffen. In den Grashügeln ist es auch zur Erntezeit noch sehr heiß. Um diese Jahreszeit gibt es nur wenig Wasser. Die Pferde müssen getränkt werden und etwas ausruhen, ehe sie eingesetzt werden können.«
»Ich habe gehört, dass Ihr einheimische Truppen rekrutiert habt ...« Lephi lächelte.
»Ja, Herr.«
»Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass Ihr den Kämpfern Cyadors misstraut?« Lephis weiße Zähne blitzten.
Ein leichter Schweißfilm breitete sich auf Queras' Stirn aus. »Ich glaube nicht. Die Barbaren haben uns in der Vergangenheit einige Überraschungen beschert und ich will lieber vorsichtig sein. Wenn die zusätzlichen Bewaffneten nicht gebraucht werden, dann sollen sie wenigstens Erfahrungen sammeln, damit sie uns bei zukünftigen Feldzügen nützlich sind.«
»Ihr seid zu bescheiden, Queras. Das steht Euch gut zu Gesicht. Wie werdet Ihr nun weiter vorgehen?«
»Zuerst werden wir uns nach Nordwesten wenden und uns zum südlichen Arm des Flusses Jeryna bewegen.«
»Das Bergwerk liegt im Norden, dort sind auch die Barbaren.«
»Im Nordwesten gibt es Wasser und das Gras ist besser. Dort sind andere Barbaren, die wir als Erstes erledigen sollten, damit sie uns nicht in den Rücken fallen können.«
»Hmm ...«
Queras wagte es nicht, sich die Stirn abzuwischen.
»Ihr könnt jetzt gehen.«
Der Marschall verneigte sich.
»Und ich hoffe, es wird jetzt keine weiteren Verzögerungen mehr geben.«
»Nein, Herr.«
CXXIII
N ylan betrachtete die beiden Pferde, die in der Morgensonne neben dem Schuppen das frische Gras abweideten. Keine hundert Ellen weiter westlich war dagegen das Gras bereits braun.
»Glaubst du, wir können Weryl mitnehmen?«,
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