Der Chaos-Pakt
Pferde abgesattelt und gestriegelt hatten, gingen sie zum Turm zurück. Sie waren allein auf der Straße, weil Nylan einer der Langsamsten war, wenn es darum ging, die Pferde zu versorgen.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Nylan.
»Was denkst du selbst?«, gab die Heilerin zurück. »Vertraue deinen Gefühlen. Wenn ich anderer Meinung bin, werde ich es dir sagen, aber erwarte nicht von mir, dass ich deine Gefühle interpretiere.«
Nylan errötete leicht, dann hustete er verlegen. »Also gut. Wenn ich unsicher bin, vergewissere ich mich, was die anderen denken, bevor ich etwas sage.«
»Ich weiß. Was fühlst du jetzt?«
»Ryba ist zornig. Sie sucht nach Anlässen, um wütend auf mich zu werden. Mit Skiodra haben wir schon immer ausgiebig gefeilscht, seit wir ihn kennen. Hast du nicht auch auf deinen Handelsexpeditionen mit allen Händlern gefeilscht, denen du begegnet bist?«
»Ich glaube, die Leute in Candar feilschen einfach gern.«
»Sie wollte nicht einmal, dass ich mitkomme, und dann hat sie eine Bemerkung über meine Schwerter gemacht, als hätte ich Skiodra noch nie gesehen und wüsste nichts von dem Hinterhalt, den er uns mit dem Hirten gelegt hat. Sie behandelt mich auf einmal wie ein Kind.«
Die Heilerin nickte und zog im kalten Nachmittagswind die Jacke eng um sich.
»Das gefällt mir nicht. Sie hat Gerlich genauso behandelt, auch wenn sie gegen mich noch nicht das Schwert gezogen hat.«
»Das kann sie auch nicht. Du gehst ihr möglicherweise mächtig auf die Nerven, aber alle ihre Wächterinnen lieben dich und würden dir liebend gern viel näher kommen, als es ihnen im Augenblick erlaubt ist.« Ayrlyn hielt inne. »Lass dich nicht erwischen.«
»Ich hab's verstanden.« Er grinste, aber das Grinsen verflog sofort wieder. »Das wird mehr und mehr zum Problem.«
»Ich weiß. Was, meinst du, solltest du jetzt tun?«
Der Schmied schüttelte den Kopf. »Es gefällt mir nicht. Bei der Dunkelheit, ich habe mich fast dabei umgebracht, als ich versucht habe, uns hier eine sichere Zuflucht zu schaffen, und jetzt fühle ich mir hier nicht mehr wohl. Vielleicht bin ich an diesem Ort nicht mehr sicher. Aber ich bin doch nicht Gerlich und ich weiß, dass jeder Versuch, die Macht zu übernehmen, Westwind zerstören würde, falls mir so etwas überhaupt gelingen sollte. Für die Kinder würde dadurch alles nur noch schlimmer werden ... es würde für uns alle viel schlimmer werden.«
»In diesem Punkt hast du sicher Recht.« Ayrlyn blieb am Übungsgelände stehen, das neben der Zufahrt zum Turm lag. Sie blickte zu einer letzten Schneelilie, die matt aus einem kleinen Flecken Schnee ragte, der sich auf der Nordseite der Mauer hinter dem Übungsgelände hatte halten können. »Kannst du Ryba nicht einfach aus dem Weg gehen?«
»Wie denn? Dazu ist Westwind nicht groß genug. Wenn ich mache, was sie sagt, drängt sie mich weiter und weiter und sorgt gleichzeitig dafür, dass ich immer weniger nützlich bin. Dazu gehört, dass sie einen neuen Schmied ausbilden will. Ryba macht das recht geschickt und es wird nicht lange dauern, bis ich so störrisch wie Gerlich oder so nutzlos wie Narliat wirke. Ich glaube wenigstens, dass es darauf hinausläuft. Was meinst du?«
»Es spielt keine Rolle, was ich denke. Ich kann einfach nur die sanftmütige Heilerin spielen und mich im Hintergrund halten. Siret, Istril und auch Huldran und Llyselle haben dich oft unterstützt«, überlegte Ayrlyn.
»Aber klar«, schnaubte Nylan. »Saryn steht auf Rybas Seite und bildet die meisten neuen Wächterinnen aus – oder Ryba tut es gleich selbst. Ungefähr ... wie viele mögen es sein? Sieben von vierzig Wächterinnen denken, ich wäre vielleicht zu irgendetwas zu gebrauchen. Die meisten neuen Wächterinnen hassen Männer oder misstrauen ihnen. Mich akzeptieren sie, weil ich anders bin als die Männer, die sie kennen, aber ich bin und bleibe ein Mann. Wie lange wird es noch dauern, bis hundert Wächterinnen hier sind, von denen mich nicht einmal die Hälfte kennt?«
»Das wird noch eine Weile dauern.«
»Es wird sein, als würde ich von einer langsamen Lawine verschüttet oder als wäre ich gefesselt und würde über die Jahre von Ameisen gefressen.« Nylan zuckte selbst zusammen, als sich ihm dieses Bild aufdrängte.
»Du bist jedenfalls unglücklich. Was willst du jetzt tun?«
»Die Frage ist nicht so sehr, was ich will. Es geht wohl eher darum, rechtzeitig die Sturmwolken am Horizont zu erkennen und sich einen Unterschlupf
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