Der Chinese
jetzt sagen?« Vivi Sundberg schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall.«
»Haben Sie einen Tatverdächtigen?«
»Wie gesagt, wir berichten auf der Pressekonferenz darüber. Ich wollte aus einem ganz anderen Grund, dass Sie noch bleiben.« Vivi Sundberg stand auf und verließ den Raum. Als sie zurückkam, hatte sie die Tagebücher in der Hand, die Birgitta Roslin einige Tage zuvor hatte zurückgeben müssen. »Wir sind sie durchgegangen«, sagte Vivi Sundberg. »Meiner Einschätzung nach sind sie für unsere Ermittlung nicht von Belang. Deshalb wollte ich Ihnen meinen guten Willen zeigen und sie Ihnen leihen. Gegen Empfangsbestätigung. Und unter der Bedingung, dass Sie sie zurückgeben, wenn wir sie zurückfordern.«
Birgitta Roslin fragte sich, ob sie im Begriff war, in eine Falle zu tappen. Was Vivi Sundberg im Moment tat, war kaum erlaubt, auch wenn es nicht gerade ein Vergehen war. Birgitta Roslin hatte nichts mit der Voruntersuchung zu tun. Was konnte passieren, wenn sie die Tagebücher annahm? Vivi Sundberg nahm ihr Zögern wahr. »Ich habe mit Robertsson gesprochen«, sagte sie. »Ihm war nur wichtig, dass wir eine Empfangsbestätigung bekommen.«
»In dem, was ich lesen konnte, fanden sich gewisse Informationen über Chinesen, die bei den Eisenbahnbauten in den USA gearbeitet haben.«
»In den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts? Das ist fast hundertfünfzig Jahre her!«
Vivi Sundberg legte die Tagebücher zusammen mit einer Plastiktüte auf den Tisch. In der Tasche hatte sie eine Quittung, die Birgitta Rosling unterschrieb.
Vivi Sundberg begleitete sie zur Anmeldung. Sie trennten sich an der Glastür.
Birgitta Roslin fragte, wann die Pressekonferenz stattfinde. »Um zwei. In vier Stunden. Wenn Sie einen Presseausweis haben, kommen Sie hinein. Es sind so viele, die dabei sein wollen, und wir haben keine Räume, die für ein solches Aufgebot an Presseleuten ausreichen. Der Mord ist viel zu groß für eine allzu kleine Stadt.«
»Ich hoffe, Sie haben den entscheidenden Durchbruch erzielt. «
Vivi Sundberg überlegte, bevor sie antwortete. »Ja«, sagte sie. »Ich glaube, wir sind auf dem besten Weg, dieses grässliche Gemetzel aufzuklären.«
Sie nickte, wie um ihre eigenen Worte zu bekräftigen. »Wir wissen jetzt auch, dass alle im Dorf tatsächlich miteinander verwandt waren. Alle Toten. Es gab Familienbande.« »Alle bis auf den Jungen?« »Auch er war mit ihnen verwandt. Aber er war zu Besuch.«
Birgitta Roslin verließ das Polizeipräsidium. Sie grübelte darüber nach, was in ein paar Stunden präsentiert werden würde.
Auf dem verschneiten Bürgersteig, der noch nicht geräumt war, holte ein Mann sie ein. Lars Emanuelsson lächelte. Birgitta Roslin spürte einen heftigen Impuls, ihn zu schlagen. Gleichzeitig imponierte ihr seine Hartnäckigkeit.
»Wir begegnen uns also wieder«, sagte er. »Ständig machen Sie Besuche im Polizeipräsidium. Die Richterin aus Helsingborg bewegt sich unverdrossen am Rande der Ermittlung. Sie müssen verstehen, dass ich neugierig werde.«
»Stellen Sie der Polizei die Fragen, nicht mir.«
Lars Emanuelsson wurde ernst. »Sie können sicher sein, dass ich das bereits tue. Ich habe nur noch immer keine Antwort bekommen. An einem bestimmten Punkt wird es irritierend. Da muss ich anfangen zu spekulieren. Was tut eine Richterin aus Helsingborg in Hudiksvall? In welcher Weise ist sie in die Greuel verwickelt?«
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
»Erklären Sie mir nur, warum Sie so unfreundlich und abweisend sind.« »Weil Sie mich nicht in Ruhe lassen.« Lars Emanuelsson nickte in Richtung der Plastiktüte.
»Ich habe Sie mit leeren Händen hineingehen sehen. Und jetzt kommen Sie mit einer schweren Plastiktüte heraus. Was ist darin? Papier? Aktenordner? Etwas anderes?« »Jedenfalls nichts, was Sie etwas anginge.«
»Antworten Sie einem Journalisten nie in dieser Form. Alles geht mich etwas an. Was in der Tragetasche ist und was nicht, oder warum Sie nicht antworten wollen.«
Birgitta Roslin ließ ihn stehen und ging davon. Dabei stolperte sie und fiel in den Schnee. Eins der alten Tagebücher glitt aus der Tragetasche. Lars Emanuelsson war sofort zur Stelle, doch sie stieß seine Hand fort, während sie gleichzeitig das Tagebuch in die Tragetasche zurücklegte. Hochrot vor Wut hastete sie davon.
»Alte Bücher«, rief Lars Emanuelsson hinter ihr her. »Früher
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