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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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gewesen war, nicht nur das Zimmermädchen. Karin konnte natürlich einen schnellen Besuch gemacht haben, um etwas zu holen oder sich umzuziehen. Von der Möglichkeit durfte sie nicht absehen. Aber was hinderte eigentlich die Polizei daran, einen diskreten Besuch abzustatten? Oder sonst jemanden? In China musste es eine Sicherheitspolizei geben, die ständig präsent war, ohne gesehen zu werden. Es war die Plastiktüte mit den Brettspielen, die den unbekannten Besucher entlarvte. Birgitta sah sofort, dass die Tüte an einem anderen Platz lag. Sie blickte sich im Zimmer um, langsam, damit nichts ihrer Aufmerksamkeit entging. Aber es war nur die Tüte, die jemand berührt hatte, ohne es zu verbergen.
     
    Sie ging weiter ins Badezimmer. Ihr Necessaire stand da, wo sie es am Morgen hingelegt hatte. Auch vom Inhalt fehlte nichts.
     
    Sie ging zurück ins Zimmer und setzte sich auf einen Stuhl am Fenster. Ihr Koffer lag da mit aufgeklapptem Deckel. Sie stand auf und untersuchte den Kofferinhalt, nahm Kleidungsstück um Kleidungsstück heraus. Wenn jemand sich am Inhalt des Koffers zu schaffen gemacht hatte, dann hatte er jedenfalls keine Spuren hinterlassen.
     
    Erst als sie den Boden des Koffers erreichte, stutzte sie. Hier sollten eine Taschenlampe und eine Schachtel Streichhölzer liegen. Die hatte sie immer mit auf ihren Reisen, nachdem sie im Jahr vor ihrer Hochzeit, in Madeira, einen Stromausfall erlebt hatte, der länger als vierundzwanzig Stunden dauerte. Sie hatte einen Abendspaziergang zu den steilen Klippen am Ortsrand von Funchal gemacht, als es plötzlich dunkel um sie wurde. Sie hatte Stunden gebraucht, um sich in der Dunkelheit zum Hotel zurück zu tasten. Danach hatte sie stets eine Taschenlampe und Streichhölzer im Koffer. Die Streichholzschachtel hatte ein grünes Etikett und stammte aus einem Restaurant in Helsingborg.
     
    Sie ging ihre Kleider noch einmal durch, ohne die Schachtel zu finden. Hatte sie sie in ihre Handtasche getan? Manchmal kam das vor. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie die Schachtel zuletzt aus dem Koffer genommen hatte. Aber wer nahm eine Streichholzschachtel aus einem Zimmer mit, das er heimlich durchsuchte?
     
    Sie setzte sich wieder auf den Stuhl am Fenster. Die letzte Stunde im Krankenhaus, dachte sie. Ich hatte schon da das Gefühl, dass ich eigentlich nicht mehr hätte bleiben müssen. Auf welche Resultate warteten sie denn? Vielleicht sollte ich in Wirklichkeit so lange bleiben, bis die Polizei mein Zimmer durchsucht hatte. Aber warum? Schließlich bin ich es doch, die überfallen wurde.
     
    Es klopfte an der Tür. Sie fuhr zusammen. Im Guckloch sah sie, dass Polizisten vor der Tür standen. Sie öffnete voller Unruhe. Es waren andere Polizisten, nicht die aus dem Krankenhaus. Eine kleine Frau in Birgittas Alter war dabei. Sie war es, die das Wort führte. »Wir wollten uns nur versichern, dass alles in Ordnung ist.«
     
    »Danke.«
     
    Die Polizistin deutete an, dass sie ins Zimmer kommen wollte. Birgitta Roslin trat zur Seite. Ein Polizist blieb vor der Tür stehen, der dritte stellte sich innen an die Tür. Die Frau führte Birgitta zu den Stühlen am Fenster. Sie legte einen Aktenkoffer auf den Tisch. Etwas in ihrem Verhalten erstaunte Birgitta, ohne dass sie erklären konnte, was es war. »Ich möchte gern, dass Sie ein paar Bilder ansehen. Wir haben Zeugenaussagen, wir wissen vielleicht, wer den Überfall begangen hat.«
     
    »Aber ich habe nichts gesehen. Einen Arm. Wie soll ich den identifizieren können?«
     
    Die Polizistin hörte gar nicht zu. Sie holte eine Anzahl Fotografien aus dem Aktenkoffer und breitete sie vor Birgitta aus. Alle zeigten junge Männer.
     
    »Sie haben vielleicht etwas gesehen, woran Sie sich nicht gleich erinnert haben.«
     
    Birgitta Roslin sah ein, dass es sinnlos war zu protestieren. Sie blätterte die Fotos durch und dachte, dass diese jungen Männer vielleicht eines Tages Verbrechen begingen, wofür sie hingerichtet würden.
     
    Natürlich erkannte sie keinen von ihnen. Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe sie nie gesehen.«
     
    »Sind Sie sicher?«
     
    »Ich bin sicher.«
     
    »Keinen von ihnen?«
     
    »Keinen.«
     
    Die Polizistin legte die Fotos zurück in den Aktenkoffer. Birgitta Roslin bemerkte, dass sie abgekaute Fingernägel hatte. »Wir werden die Männer fassen, die Sie überfallen haben«, sagte die Polizistin, bevor sie das Zimmer verließ. »Wie lange bleiben Sie noch in Peking?«
     
    »Vier

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