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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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isses!«, schniefte Phoebe. Sie saß wie immer direkt an der Seite des Alten, um für ihn da zu sein, falls er etwas brauchte.
    »Gewiss«, nickte Haff. »Aber wäre es nicht viel schlimmer, wenn wir einander nicht ausstehen könnten und dazu verurteilt wären, ein Leben lang miteinander zu verbringen?«
    »’s is auch wieder wahr.« Phoebe beruhigte sich langsam.
    Haff fuhr fort: »Ich weiß, dass Vitus die Zeit unter den Nägeln brennt, weil er nach Roanoke Island will, um Arlette dort zu finden. Ist es nicht so, Vitus?«
    Vitus schluckte. »Du hast Recht, um ehrlich zu sein. Sieht man mir meine Eile denn so sehr an? Trotzdem ist es selbstverständlich, dass wir so lange bleiben, bis du dich wieder selbst versorgen kannst.«
    Haff wischte die Worte mit einer Handbewegung beiseite. »Ihr solltet morgen aufbrechen, Vitus, schon deshalb, weil die Regenzeit nicht später einsetzen wird, nur weil ein alter Mann euch aufgehalten hat. Glaub mir, wer einmal während dieser Zeit im Dschungel marschieren musste, der vergisst es sein Lebtag nicht. Ihr reist also morgen früh, und zwar nach Nombre de Dios, denn von dort habt ihr die besten Aussichten, ein Schiff nach Kuba zu erwischen. Auf dem Weg dorthin werdet ihr meine Geschäftspartner, die Cimarrones, kennen lernen.«
    »Die Cimarrones?« Vitus hob fragend die Brauen.
    »Die Cimarrones sind ›sie‹, von denen ich häufiger sprach. Ich denke, es ist an der Zeit, das Geheimnis zu lüften, denn ich weiß, ich kann auf eure Verschwiegenheit zählen. Die Cimarrones sind keine Indianer, wie man glauben könnte, sondern entlaufene Negersklaven, die von den Spaniern gnadenlos verfolgt werden. Es sind prachtvolle Burschen, die weder Tod noch Teufel fürchten. Um zu ihrer nächsten Siedlung zu gelangen, müsst ihr nur dem Flüsschen hinter meiner Schmiede folgen. Aber passt auf, es wird mit jeder Meile breiter, und ab einem gewissen Punkt leben Krokodile darin. Ich schätze, es sind an die zehn Meilen Marsch. Wenn ihr bei den Cimarrones seid, wendet euch an Häuptling Okumba. Er ist ihr Anführer und ein Freund von mir. Ktiko, der alte Krieger, mit dem mich so viel verband, starb Ende letzten Jahres. Möge der Allmächtige sich seiner Seele erbarmen.
    Entbietet Okumba und seinen Leuten Grüße von Haffissis, dem Schmied. Das wird euch Tür und Tor öffnen. Denn wie gesagt, sie sind Geschäftspartner von mir. Sie versorgen mich mit allem, was ich zum täglichen Leben brauche, auch mit Rohstahl für meine Arbeit. Im Gegenzug mache ich für sie Klingen. Ab und zu repariere ich auch eine Muskete für sie.«
    Haff schwieg. Dann bat er Phoebe: »Bitte gib mir das Bündel, das unter meinem Lager liegt.«
    Phoebe hatte Mühe, seinem Wunsch zu entsprechen, denn das Bündel war schwer. Ein starkes Lederfell, mehrfach durch Knoten gesichert, umschloss es.
    Als Haff es geöffnet hatte, ging ein Raunen durch die Freunde, denn vor ihm lag ein blitzendes Feuerwerk aus Stahl: kostbare Degen und Schwerter, allesamt Meisterwerke, die er Stück für Stück in den letzten Monaten gefertigt hatte. »Diese Lieferung erwarten meine Partner spätestens in den letzten Tagen des Monats. Es handelt sich um eine Auftragsarbeit über sechs Degen und zwei Schwerter. Wir haben heute …«
    Er rechnete kurz nach. »Mittwoch, den 26. März. Wenn ihr morgen aufbrecht und so freundlich seid, die Klingen für mich mitzunehmen, werden sie also rechtzeitig ankommen.«
    »Jetzt begreife ich, warum es für dich selbst in dieser Wildnis wichtig ist, immer das genaue Datum zu kennen«, entfuhr es Vitus.
    Haff lächelte. »Nicht wahr, du warst damals ziemlich erstaunt, als ich dir das genaue Datum eurer Rettung nennen konnte. Es war der 9. März.«
    »Und es war ein Sonntag und mein zweiter Geburts-Tag«, lächelte Vitus zurück. »Aber jetzt zu deinen Meisterwerken. Natürlich nehmen wir sie gern für dich mit. Übrigens, ich sehe insgesamt neun Klingen, also eine mehr, hat das eine besondere Bewandtnis?«
    Haff grinste spitzbübisch. »Du merkst auch alles. Ja, damit hat es eine besondere Bewandtnis. Hier, dieser Degen ist sozusagen übrig.« Er griff ein besonders prachtvolles Stück heraus und wies auf die kunstvoll eingeschlagene Schrift:
    FOR MY GOOD FRIEND VITUS
    HAFFISSIS ME FECIT ANNO DOMINI 1578
    »Wui, mich juckt’s in meinen Reisetretern«, fistelte der Zwerg am nächsten Tag. »Wann tippeln wir los?«
    »Nur keine unziemliche Hast«, ließ der Magister sich vernehmen. »Deine Sohlen werden noch früh

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