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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Schwieriger ist, dass auch eine Ader verletzt wurde. Soweit ich sehe, handelt es sich nicht um die Hauptarterie, was wiederum ein Glücksfall ist, dennoch muss die Blutung endgültig zum Stillstand gebracht werden. Magister und Enano, haltet Haff fest, so gut ihr könnt.«
    Ohne weitere Vorrede schnitt er mit dem Skalpell ein und vergrößerte die Wunde, durchtrennte Haut, Fleisch und Muskeln, bis er das blutende Gefäß freigelegt hatte. »Zu dumm, dass ich keine Wundhaken zum Spreizen habe, aber es muss auch so gehen.« Er arbeitete weiter, während er mit dem linken Daumen und Zeigefinger die Wundränder auseinander drückte.
    Haff atmete derweil tief und stoßweise. Seine starken Hände umklammerten den Rand der Bank.
    Kurz darauf stellte Vitus fest: »Ich hatte Recht. Es ist nicht die Hauptarterie.« Er legte das Skalpell beiseite und hob das gebrochene Bein hoch. Wie beabsichtigt, hörte dadurch die Blutung nahezu auf. »Magister, halte bitte das Bein weiter so.« Und zu Hewitt: »Hast du die Leisten fertig?«
    »Ja, Vitus.«
    »Gut, bring sie her. Aber erst holst du den Spatel aus der Esse. Er müsste inzwischen rot glühend sein.«
    Als er den Spatel hatte, drückte er abermals die Wundränder weit auseinander. Dann stieß er mit der Rechten das zungenförmige Blatt des Spatels in die vorbereitete Öffnung und drückte es mehrmals gegen das zerfetzte Gefäß. Es zischte. Der Geruch nach verbranntem Fleisch breitete sich aus. Haff stöhnte und bäumte sich auf. Der Magister konnte das Bein nicht mehr halten, es entglitt ihm und fiel kraftlos zurück auf die Bank.
    »Autsch!«, rief der kleine Mann und machte ein betretenes Gesicht.
    »Halb so schlimm«, beruhigte ihn Vitus.
    »Hauptsache, der Kauter hat ganze Arbeit geleistet.«
    Das war in der Tat so. Die Wunde blutete nicht mehr, selbst dann nicht, als der kleine Gelehrte den Oberschenkelriemen löste.
    »Nun zum Schienen«, befahl Vitus. Vorsichtig bog er mit des Magisters Hilfe den abgespreizten Schenkel wieder gerade. Gemeinsam zogen sie am Fuß, bis die Knochen wieder in ihre alte Position einrasteten. Der kleine Gelehrte keuchte: »Weißt du noch, Vitus, wie wir dieselbe Prozedur mit Klaas’ Bein an Bord der
Cargada
de
Esperanza
durchgeführt haben?«
    »Weiß ich. Dem Allmächtigen sei Dank, dass dieser Bruch sich so leicht schienen lässt.«
    »Damals half nur eine Talje.«
    »Ja. Jetzt nimm den langen Stoffstreifen und wickle ihn stramm ums Bein.« Während der Magister tat wie ihm geheißen, sagte Vitus zu Haff: »Leider habe ich keine gute Wundsalbe, die das Gangrän verhindert und die Heilung beschleunigt. Aber wenigstens hat der von dir geschmiedete Spatel gute Arbeit geleistet. Die Erfahrung zeigt, dass eine gut gekauterte Wunde selten zu Wundbrand neigt.«
    Haff nickte matt. Er schien die Bemühungen um ihn herum kaum wahrzunehmen. Phoebe, die noch immer neben seinem Kopf kniete, fuhr fort, ihm die Stirn zu kühlen und leise auf ihn einzusprechen.
    Inzwischen hatte der Magister den Streckverband angelegt. »Ich wär so weit.«
    Vitus betrachtete das Werk des kleinen Gelehrten und lächelte zufrieden. Wie alle Verbände, die der kleine Mann anlegte, saß auch dieser perfekt – und das trotz des mangelhaften Materials. »Gute Arbeit, du Unkraut!«
    Der Magister blinzelte erfreut. »Dass ich den Tag, an dem du mich
coram publico
lobst, noch erleben darf!«
    »Jetzt zu den Holzleisten. Wir gruppieren sie in Längsrichtung um den gesamten Unterschenkel herum und fixieren sie anschließend mit einigen weiteren Lagen Verband. Das Ganze muss fest, aber nicht zu fest sitzen. So werden die Knochen gewissermaßen von allen Seiten geschient – und nicht nur von einer wie bei einem Brett.«
    Wenig später war auch diese Arbeit getan, und die Freunde atmeten auf. Haff schien zu schlafen. »Wir schaffen ihn rüber in den Wohnraum«, entschied Vitus. »Am besten, wir tragen ihn mitsamt der Bank.«
    Und so geschah es.
     
    Haff lag auf seinem breiten Bett, ballte die Fäuste und zog die Luft durch die Zähne.
    »Haste Schmerzen, Haff?«, fragte Phoebe teilnahmsvoll. »Ich un Tom sin ja bei dir.« Sie tunkte das Tuch in eine Schüssel, wrang es aus und legte es zurück auf die Stirn des Alten.
    Seit drei Tagen und Nächten tat sie das, und jeder, der ihr geraten hatte, sich wenigstens für ein paar Stunden hinzulegen, hatte eine Abfuhr bekommen: »’s is gut für Haff, verstehste, gut isses, un ich tu’s gern, un Tom is ja auch da, nich.«
    Vitus trat

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