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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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denn seine Augen hatten die ganze Zeit den Kampf von John Fox auf der
Torment
verfolgt. »Ich wäre Euch verbunden, wenn Ihr nicht länger Mutmaßungen über die Fechtkünste Eures Ersten Offiziers anstellen würdet. Bringt stattdessen die verwundeten
Falcons
zu Doktor Hall. Er soll sich um sie kümmern. Sobald das geschehen ist, erwarte ich Meldung über die Schwere der Verletzungen.«
    »Aye, aye, Sir.« Ohne mit der Wimper zu zucken, schluckte der Schotte den Rüffel, grüßte und beeilte sich, den Befehl auszuführen. Taggart wandte sich an Vitus. »Bevor ich Euch frage, wie es Euch geht, Cirurgicus, gestattet, dass ich den Kampf des Ersten noch bis zum Schluss verfolge.« Es war typisch für den Kommandanten, dass er zunächst das Wohl seiner Männer im Auge hatte und erst danach bereit war, der Etikette Genüge zu tun.
    John Fox, der Hüne, hatte Jawy mittlerweile in arge Bedrängnis gebracht. Der Piratenanführer, noch immer behindert durch die nicht vollends ausgeheilte linke Hand, war mehr und mehr zum achteren Flaggenstock der
Torment
gedrängt worden. Hier stand er nun und konnte nicht länger zurückweichen, während der Erste ihn nach wie vor mit einem Wirbel aus Hieben, Schlägen und Stößen attackierte. Jawys Gesicht mit dem gewaltigen Unterkiefer hatte jegliche Überheblichkeit verloren. Anstrengung, Schmerz und Furcht standen darin. Es spiegelte die Ausweglosigkeit seiner Situation wider. Wie um das zu untermauern, schlug ihm John Fox in diesem Augenblick die Waffe aus der Hand. Sie flog in die Luft, blitzte hell auf und landete in der See. Gehetzt wie ein Tier blickte Jawy sich um, hinüber zur
Falcon
, von der er keine Hilfe erwarten konnte, und noch weniger von dem Guineaman, der die
Torment
nach wie vor begleitete. Er kreuzte einige Kabellängen entfernt, was so viel wie die Entfernung zum Mond war, und überdies war er nur mit einer Hand voll Piraten besetzt. Jawys gesunde Hand fuhr zu einer der Schnapphahnpistolen im Gürtel, doch schon war John Fox heran und setzte ihm die Degenspitze auf die Brust. Man sah, dass er zustoßen wollte, doch Jawy schien irgend etwas zu rufen, was, das war nicht zu verstehen, in jedem Fall ließ der Erste überraschend von seinem Gegner ab, verbeugte sich kurz und eilte zum Schanzkleid der
Torment
, von wo er mit einem gewaltigen Satz zurück auf die
Falcon
sprang.
    »Kommt unverzüglich zu mir herauf, John!«, rief Taggart, und als der rotblonde Hüne auf dem Kommandantendeck erschien, setzte er hinzu: »Keine Meldung, nur eine Erklärung. Warum habt Ihr Jawy Cutter, diesen Abschaum, nicht getötet?«
    »Nun, Sir«, John Fox verschlug es gleich aus zwei Gründen die Sprache. Einmal, weil er sich so unversehens Vitus und dem Magister gegenübersah, zum anderen, weil der Kampf mit dem Piratenanführer kein Spaziergang gewesen war. Doch dann brach es aus ihm heraus: »Bei allen Teufelsrochen! Ihr hier, Cirurgicus? Und der Magister García an Eurer Seite? Das macht mich staunen! Ich freue mich …«
    »Ich hatte Euch um eine Erklärung ersucht, Erster!«, unterbrach Taggart, der es nicht schätzte, wenn die Disziplin aus dem Ruder lief, auch nicht bei so außergewöhnlichen Anlässen wie diesem.
    »Verzeihung, Sir. Nun, Sir, der Halunke bat mich um etwas, das man keinem Schiffsführer dieser Welt abschlagen kann.«
    »Und?«, knurrte Taggart, dem man ansah, dass er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, was das sein mochte.
    »Er bat mich darum, mit seinem Schiff untergehen zu dürfen, Sir.«
    »Pah, ›seinem Schiff‹, wenn ich das höre!« Der Kommandant schnaufte verächtlich. »Wenn ich mich richtig erinnere, ist die
Torment of Hell
die alte
Vigilance
und damit keineswegs sein Schiff, sondern das unserer Jungfräulichen Majestät, denn es lief auf der Königlichen Schiffswerft am Medway bei London vom Stapel. Liebend gern hätte ich es zurückerobert, aber Jawy und seine Mörderbrut haben mir keine Wahl gelassen. Auf Hau und Stich, auf Leben und Tod, so ging es. Ich darf gar nicht daran denken, wie viele Männer ich verloren habe. Nun, Hall wird es mir berichten.« Der Kommandant unterbrach sich, weil er merkte, dass er ins Schwätzen gekommen war, und schalt sich dafür. »Immerhin, ich stimme Euch zu, ich hätte wohl genauso gehandelt und den Halunken am Leben gelassen.«
    »Verbindlichsten Dank, Sir.« Der Erste war froh, dass der gestrenge Taggart seine Auffassung teilte.
    Die ehemals so stolze
Vigilance
war mittlerweile nur noch ein dem

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