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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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vieles offen!«
    »Wie viel?«, fragte Vitus zähneknirschend.
    Der Wirt hörte zu wippen auf. Er witterte Morgenluft. »Oh, Señor, ich wusste, dass Ihr mich verstehen würdet. Nun, das haben wir gleich.« Er trat ans Pult und kritzelte mit spitzer Feder Zahlen auf einen Bogen Papier, bewegte die Lippen, trat, während er rechnete, von einem Bein aufs andere, addierte nochmals und verkündete schließlich: »Macht alles zusammen achtzehn Goldstücke, der Herr.«
    »Was?« Vitus schnappte nach Luft. »Das ist Wucher!«
    »Ich sagte Euch eben schon, dass ich Auslagen hatte, große Auslagen, vielfältige Auslagen!« In Angels Augen leuchtete Gier, während er beschloss, es auf die alte Masche zu versuchen, die da hieß: Rede die Leute an die Wand und führe dabei das Wort Gottes im Mund. »Bedenkt«, hob er an zu jammern, »dass mein Weib jeden Tag für Euch gekocht hat! Gute, teure Fleischmahlzeiten, Señor, die anschließend wertlos waren! Denn wie spricht der Herr? Du sollst die Speise nicht verschmähen, sie ist mein Leib! Außerdem, Señor, die Kosten für das Zimmer! Es war mein bestes, wie Ihr wisst, ohne Wanzen, ohne Ratten, ohne Läuse! Sieben Tage Logis, sieben lange Tage! Das macht allein schon, wartet …« Er lutschte an der Feder, rechnete emsig und nannte wieder eine viel zu hohe Summe. »Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert, nur Gottes Lohn ist unbezahlbar, so steht es schon in der Schrift! Ferner meine Bemühungen, Euch aufzuspüren: Suchet, so werdet ihr finden, so sagte einst unser Heiland, und ich habe mich daran gehalten, doch ich habe Euch nicht gefunden, obwohl ich keine Kosten und Mühen gescheut habe. Halb Habana habe ich Euretwegen auf den Kopf gestellt, und beileibe nicht nur des Geldes wegen! Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, heißt es, und …«
    Der Magister platzte dazwischen: »Eure Rede aber sei: Ja, ja, nein, nein. Was drüber ist, das ist von Übel. Habt Ihr davon schon einmal gehört, Wirt?«
    »Nein, äh …«
    »Matthäus, Kapitel 5, Vers 37, zu Eurer Information. Und nun schlage ich vor, dass Ihr Eure Rechnung noch einmal überprüft.« Die Stimme des kleinen Gelehrten ließ keinen Widerspruch zu.
    »Nun, wenn es Euch beruhigt, Herr Magister.« Achselzuckend begann Angel, sich abermals mit dem Papierbogen zu beschäftigen. Und dann, nach einer geraumen Weile, stieß er völlig überrascht aus: »Das ist doch nicht möglich! Ich hatte mich tatsächlich verrechnet!«
    »Ich nehme an, zu Euren Gunsten«, sagte der Magister trocken.
    Ohne auf die bissige Bemerkung einzugehen, fuhr Angel fort: »Ich freue mich, Señor Cirurgicus, dass es jetzt nur noch die Hälfte ist.«
    Vitus, des lächerlichen Spiels überdrüssig, drehte jetzt den Spieß um: »Ich mache Euch einen Gegenvorschlag, Angel: Ich zahle gar nichts, und wenn der von Euch eben so oft zitierte Gott es fügt, dass Ihr oder jemand aus Eurer Familie krank wird, behandele ich ihn umsonst. Wir sind noch einige Tage in der Stadt, und Ihr braucht es mich nur wissen zu lassen, wenn es so weit ist.«
    Das Aufheulen des Wirtes ersetzte jede Antwort.
    »Nun gut«, Vitus zog den von Taggart erhaltenen Geldbeutel, »von Eurer soeben errechneten Hälfte ziehe ich nochmals die Hälfte ab, das dürfte immer noch üppig sein. Das ist mein letztes Wort.«
    Begleitet vom Jammern des Wirtes traten die Freunde nach draußen.
    »Dem hast du aber tüchtig eingeheizt«, meinte der kleine Gelehrte auf der Straße, »der wird so schnell nicht wieder versuchen, die Leute übers Ohr zu hauen. Nur schade, dass wir jetzt keine Bleibe haben. Es wäre schon praktisch gewesen, gleich bei Angel zu bleiben.«
    »Man darf dem Wucher nicht Vorschub leisten«, erwiderte Vitus, »sieh mal, da sitzt Pedro auf seinem Wagen und nimmt seine Mahlzeit ein.«
    »Mahlzeit ist gut«, brummte der Magister, der die Habseligkeiten der Freunde an den Wegrand stellte. »He, Pedro, mein Junge, was du da isst, sieht aus wie einfache Erbspastete, hab ich Recht?«
    Der Kutscherjunge antwortete nicht. Wenn der Magister wusste, dass es Erbspastete war, warum fragte er dann?
    Vitus ging zu Pedro hinüber und fragte ihn: »Kannst du uns zum Escargot kutschieren?«
    Pedro blickte ihn an, während er den letzten Bissen hinunterschluckte. Der Cirurgicus hatte eine vernünftige Frage gestellt, und deshalb bekam er auch eine vernünftige Anwort. »Ja. Aber ’s is nur um die Ecke, nich mal zweihundert Schritt.«
    »Ich weiß, aber es ist zu heiß zum Laufen, erst recht mit

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