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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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eine Kabine, sie ist groß, gewiss, aber es ist nur eine, und sie ist für Euch. Eine zweite für den Herrn Cirurgicus und seine Freunde steht nicht zur Verfügung.«
    »Ich glaube Euch, Kapitän Coolidge.« Arlette blickte ihrem Gegenüber direkt in die Augen und setzte ihr strahlendstes Lächeln auf, was augenblicklich dazu führte, dass Coolidge verlegen wurde und zur Seite sah. »Aber gibt es denn wirklich keine Möglichkeit? Überlegt doch noch einmal.«
    Zwei Stunden waren seit dem Wiedersehen vergangen, zwei Stunden voller Glück, in denen es unendlich viel zu erzählen gegeben hätte, doch nur wenig gesprochen worden war. Nur eines hatte von Anfang an festgestanden: Vitus wollte Arlette nie wieder aus den Augen lassen, und Arlette erging es mit Vitus ebenso. Umso ärgerlicher war die Sturheit von Coolidge. Er war bekannt als korrekter Mann, wenn auch als einer mit geringer geistiger Beweglichkeit. Seine eng zusammenstehenden Augen und die hohe, gewölbte Stirn, hinter der viel Platz für Trotz und Trägheit war, mochten Hinweise darauf sein.
    »Tut mir leid.« Coolidge hob bedauernd die Hände. »Was nicht geht, geht nicht.« Sein Ton war jetzt schärfer, denn die Situation begann ihm auf die Nerven zu fallen, zumal er schon häufig derartige Gespräche hatte führen müssen. Jedes Mal, wenn seine
Boisterous
nach England zurücklief, war es dasselbe: Es gab mehr Passagiere als Platz, und er hatte nun mal nur die eine Kabine! Und eine Umorganisation in der Belegung der Offizierskammern kam selbstverständlich überhaupt nicht in Frage.
    »Tut mir Leid«, wiederholte Coolidge und feuerte abschließend sein bestes Argument ab: »Ich kann nun mal nicht aus einer Kabine zwei machen.«
    »Warum eigentlich nicht, Sir?«, fragte Vitus. Er hatte mit Arlette am Kartentisch Platz genommen und hielt ihre Hand.
    Coolidge, der gemeint hatte, die Unterredung beenden zu können, reagierte verwirrt: »Wie meinen, Sir?«
    »Ich sagte: ›Warum eigentlich nicht?‹«
    »Nun, äh … Sir.« Coolidge geriet außer Fassung, und eine Falte bildete sich über seiner Nasenwurzel. »Weil es nicht geht. Ich sagte es bereits.«
    Vitus hakte nach. »Wenn ich richtig beobachtet habe, besitzt die Kabine zwei Türen, warum lasst Ihr nicht einfach eine Trennwand ziehen? Dann hättet Ihr zwei Räume und jeder sogar einen eigenen Zugang. Den einen Raum würde Lady Arlette bewohnen, den anderen meine Freunde und ich. Es wäre zwar eng, aber glaubt mir, ich habe schon ganz anders geschlafen.«
    »Unmöglich!«, knirschte Coolidge. »So etwas gab es auf meinem Schiff noch nie!«
    Arlette lächelte ihn entwaffnend an. »Aber möglich wäre es doch, nicht wahr, Herr Kapitän?«
    »Nun … schon. Möglich ist vieles. Aber die Zeit! Und die Kosten!«
    Jetzt war Vitus wieder an der Reihe: »Beabsichtigt Ihr denn, noch heute auszulaufen, Sir? Wenn mich nicht alles täuscht, wäre es günstiger, morgen ankerauf zu gehen, der Tide wegen und der damit verbundenen günstigeren Winde.«
    »Richtig, richtig.« Coolidge wurde zum ersten Mal unsicher. »Vor morgen segele ich nicht. Wollte eigentlich heute schon in See stechen, aber Ihr sagtet es ja selbst: Die Verhältnisse sind nicht danach.« Dennoch war der Sturkopf noch nicht besiegt: »Aber die Kosten! Wer zahlt mir das, wenn ich so mir nichts, dir nichts eine Trennwand durch meine Kabine ziehen lasse?«
    »Ich«, lächelte Vitus. Er zog Taggarts Lederbeutel hervor und kippte ihn auf dem Tisch aus. Eine Reihe von Münzen, die meisten aus Gold, kullerte über die Seekarten. »Reicht das?«
    »Hmja, natürlich.« Wie alle Kaufleute mochte auch Coolidge Geld gut leiden, und der Anblick überwand auch den Rest seines Widerstands.
    »Dann schlage ich vor, Euer Zimmermann fängt gleich mit der Arbeit an. Ich bin sicher, er wird bis morgen fertig sein. Einverstanden?«
    »Hmja … ja.«
    Arlette beugte sich zu Vitus hinüber und wisperte so leise, dass der Sturkopf es nicht hörte: »Die Festung ist besiegt.«
    Zärtlich drückte er ihre Hand.
     
    Die Casa Sevilla war nicht gerade die Herberge, die ein Reisender sich erträumte, selbst dann nicht, wenn es nur um eine einzige Übernachtung ging. Andererseits war das Haus besser als nichts und billig obendrein. Vom Gang im oberen Stockwerk gingen zwei Zimmer ab, muffige, stickige Räume, in denen Arlette, Vitus und die Freunde Quartier gefunden hatten. Die »Casa«, wie das Haus kurz genannt wurde, lag etwas außerhalb, weshalb Pedro und sein Fuhrwerk noch

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