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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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anzutreffen, gering sind, sehr gering, wenn nicht gleich null. Entschuldigt, dass ich es so offen sage, aber man muss den Dingen ins Auge sehen.«
    »Sir, Ihr seid schon der Dritte, der daran zweifelt, dass Arlette zurück nach England gefahren ist.«
    Taggart gab dem Globus einen kräftigen Schwung. »Und wie ich glaube zu Recht. Segelt lieber zurück nach Habana. Wenn es dem Allmächtigen gefällt, werdet Ihr sie dort treffen.« Er verzog den narbigen Mundwinkel, was seinem Gesicht einen fast gutmütigen Ausdruck verlieh. »Ihr jungen Leute seid immer viel zu ungeduldig. Kaum wartet ihr ein paar Wochen vergebens auf eure Geliebte, schon glaubt ihr, sie käme im Leben nicht mehr. Ich bin nicht blind, Cirurgicus, mir ist nicht verborgen geblieben, wie, äh … schwermütig Ihr bisweilen seid. Deshalb habe ich mich entschlossen, Euch den Guineaman zu geben. Ihr setzt noch heute mit Euren Freunden über und segelt Richtung Kuba.«
    »Sir, Ihr könnt doch nicht einfach auf Eure Prise verzichten!«
    »Das tue ich auch nicht. Der Guineaman wird Euch in Habana absetzen und anschließend mit der
Falcon
an einem bestimmten Punkt wieder zusammentreffen. Eine ganz einfache Sache.«
    »Aber, Sir, aber … aber …«
    »Kein aber. Ich habe mit Doktor Hall gesprochen, und er ist auch der Meinung, es wäre das Beste für Euch. Überhaupt war der Mann des Lobes voll über Eure Person; er hat mir erzählt, dass Ihr es wart, der die erfolgreiche Operation an Duncan Rider durchgeführt habt, was ich anständig finde, nun ja, ich kenne meinen Hall, im Grunde ist er ehrlich bis auf die Knochen, fährt schon achtzehn Jahre mit mir, oder sind es neunzehn? In dieser Zeit hat er sich das eine oder andere Mal bestens bewährt, auch als Mensch …«
    Taggart merkte, dass er ins Schwätzen gekommen war, und schalt sich dafür. »Jedenfalls ist alles geklärt. Fernandez ist per Flaggensignal über seine neue Order informiert und freut sich auf Euch. Natürlich auch auf den Magister García und den Zwerg, welchen ich, wie ich zugebe, nur ungern ziehe lasse. Ihr wisst schon, warum.«
    Vitus’ Augen leuchteten. »Sir, ich weiß nicht, was ich sagen soll, das ist … das ist …«
    »Das ist ein Befehl«, sagte Taggart trocken.

Der Kutscherjunge Pedro
    »Achille is tot, un die Leute sagen, er is so kurios gestorben, wie er kurios gelebt hat. Hat sich anner Grete verschluckt un is erstickt. Is schon ’ne Weile her.«
     
    P edro! Wo steckst du Herumtreiber nur? Peeeeedro!«, rief die Wirtin der Albergue Pescador schrill, während sie mit einer langen Stange doppelt gebackenes Hartbrot aus dem Ofen fischte. »Das Brot muss zum Hafen, und du bist nicht da! Der Teufel hole dich und deinen Kutschwagen! Peeeeedro!«
    »Ja doch, ja«, brummte Pedro. Er betrat vom Hinterhof aus den Küchenbereich der Herberge, wobei er noch rasch sein Hemd in die Hose steckte. Bei der morgendlichen Verrichtung, von der er soeben kam, war es besser, sich von der Wirtin nicht erwischen zu lassen, denn sie liebte es nicht, wenn andere außer ihren Gästen den Abtritt benutzten. Und Pedro gehörte nicht zu den Gästen, auch wenn er sein eigener Herr war und sein eigenes Geld verdiente. Er war erst zwölf und doch schon selbständiger Kutscher, seitdem sein Vater vor zwei Jahren gestorben war und ihm den Karren samt einem braven Gaul hinterlassen hatte.
    »Es gibt auch noch andere Pferdefuhrwerke in Habana, die mir mein Brot zum Hafen fahren!«, keifte die Wirtin. »Ständig muss man auf dich warten. Wo hast du dich nur wieder herumgetrieben? Dein Karren steht doch schon die ganze Zeit an der Straße!«
    Pedro zog es vor zu schweigen. Es war besser so. Überhaupt war er ein Junge, der wenig Worte machte und nur redete, wenn er direkt angesprochen wurde. Und auch dann nicht immer. Er hatte festgestellt, dass die Menschen zum größten Teil überflüssiges Zeug von sich gaben. Sie riefen ihm zu: »Wie geht es dir, Pedro?«, aber wollten es gar nicht wissen. Warum fragten sie dann? Sie sagten: »Ich weiß, dass du kein Geld hast, Pedro, kannst du mir trotzdem fünf Maravedis leihen?« Wenn sie wussten, dass er kein Geld hatte, warum fragten sie dann? Sie stöhnten: »Muss die Fuhre so teuer sein, Pedro?« Dabei war ihnen bekannt, dass er nur das Nötigste nahm. Warum fragten sie dann?
    Seltsam waren die Menschen. Sie baten um Dinge, die sie nicht brauchten, und sie dankten für Dinge, die sie nicht wollten. Warum nur? Ja, es gab viele in Habana, die überflüssiges Zeug

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