Der Chirurg von Campodios
redeten, und er, Pedro, wollte nicht dazugehören.
»Du bringst die zehn Brotkörbe zum Anleger vier. Hilf dem Schiffskoch, sie an Bord zu tragen. Die Ware ist bereits bezahlt, ich sagte es dir schon, aber es ist besser, dir alles zweimal zu sagen. Hier, nimm deinen Lohn, und dann beeil dich.« Sie drückte Pedro ein paar Kupfermünzen in die Hand und wandte sich der Feuerstelle zu, um die Glut zu schüren. An diesem Tag wartete noch viel Arbeit auf sie, und sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren.
»Ja doch, ja«, sagte Pedro.
»Schlag … und Schlag … und Schlag … Riemeeeeen … hebt an!«, brüllte McQuarrie. Die Rudergasten im kleinen Beiboot des Guineaman stellten in vorschriftsmäßiger Manier die Riemen senkrecht, während der Maat an der Pinne einen Bogen fuhr und die Bordwand sich langsam dem steinernen Anleger näherte.
Der vordere Mann sprang an Land und vertäute das Boot an einem der eisernen Ringe.
»Boot wie befohlen zum Anleger vier gerudert, Sir!«, meldete McQuarrie stramm.
»Danke, McQuarrie«, sagte Fernandez verbindlich. »Wartet hier mit Euren Männern, ich bringe den Cirurgicus und seine Freunde noch an Land.«
»Aber das ist doch nicht nötig, Mister Fernandez!«, protestierte Vitus.
Fernandez, der nicht nur einer der besten Navigatoren im westindischen Raum war, sondern darüber hinaus auch von umgänglichem Wesen, lächelte. »Nötig vielleicht nicht, Cirurgicus, aber ich tue es gern. Um die Wahrheit zu sagen, fällt mir die Trennung nicht leicht, zu angenehm waren die Gespräche mit Euch und Euren Freunden in den vergangenen Tagen.« Er deutete hinaus aufs Wasser, wo einige Kabellängen entfernt der Sklavenfahrer ankerte.
»Uns geht es genauso, mein lieber Fernandez«, bestätigte der Magister, »Abschied nehmen ist nicht jedermanns Sache. Es war schon schwer genug, Hewitt und den anderen
Falcons
Lebewohl zu sagen. Mit jedem Abschied stirbt ein Stück von einem selbst, nicht wahr? Wenn ich nur an unsere Abende auf dem Kommandantendeck denke: Eure Ausführungen über die Unterschiede in der Anwendung zwischen Kreuzstab und Astrolabium waren hochinteressant, wirklich hochinteressant! Von Euren Erklärungen zur Funktion der tragbaren Sonnenuhr ganz zu schweigen.«
Fernandez winkte ab. »Nicht der Rede wert, lieber Magister.«
Vitus sprang an Land. »Ihr seid zu bescheiden, Mister Fernandez. Auch ich habe wieder eine Menge von Euch über die Positionsbestimmung gelernt, fast so viel wie seinerzeit auf der guten alten
Cargada de Esperanza
.« Er half zunächst dem kleinen Gelehrten aus dem Boot und reichte dann auch dem Navigator seine Hand.
»Oh, so weit ist es noch nicht, Cirurgicus!« Ohne fremde Hilfe stieg Fernandez aus dem Boot und machte dabei, obwohl schon Mittfünfziger, eine gute Figur. »He, McQuarrie, lasst Kiepe und Koffer und die andere Habe der Herren an Land bringen. Stellt die Sachen dort drüben bei den zwei Palmen ab, da halten gewöhnlich die Kutschen, die in die Stadt fahren.«
»Aye, aye, Sir.« Der Maat gab die entsprechenden Befehle.
Fernandez nahm Vitus’ Rechte: »Manchmal möchte man die Zeit stillstehen lassen, Cirurgicus. Jetzt ist ein solcher Zeitpunkt. Nun ja, das Leben schert sich nicht darum, es geht weiter. Wie Ihr wisst, gehe ich noch heute wieder ankerauf und versuche, mit Kapitän Taggart am Ausgang der Floridastraße zusammenzutreffen. Doch Ihr bleibt hier, und ich wünsche Euch von Herzen alles Gute. Des Allmächtigen Segen über Euch, und«, er zögerte kurz und verstärkte den Händedruck, »möget Ihr Lady Arlette recht bald finden.«
»Danke, Mister Fernandez, danke.« Vitus schluckte. »Auch für Euch nur das Beste!«
Der kleine Gelehrte blinzelte. »Schließe mich den guten Wünschen an.«
»Wui, wui, glatten Schein un alles Schöne!«
Achtern an der Pinne des Boots stand McQuarrie stramm wie ein Spatenstiel und grüßte: »Mit Verlaub, Cirurgicus, die Kameraden und ich wünschen Euch ebenfalls erfolgreichen Kurs!«
»Danke, Männer, und:
goodbye!
«
»Ein dreifaches Hurra auf den Cirurgicus, der Duncan Rider so prachtvoll wieder zurechtgeflickt hat!« Das war noch einmal McQuarrie, der den Takt für die Rufe der Männer angab:
»Hurray! Hurray! Hurray!«
Vitus musste abermals schlucken, winkte, gab sich einen Ruck und schritt mit den Freunden zu dem wartenden Gepäck. Viel war es nicht, was da stand, doch immerhin hatte Taggart es sich nicht nehmen lassen, ihnen eine Seekiste zu schenken, darin auch ein paar
Weitere Kostenlose Bücher