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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Kleidungsstücke. Außerdem hatte er, an der Steuerborddeckspforte der
Falcon
stehend, wie zufällig seine Hand in Vitus’ Tasche gleiten lassen und ihn, als er nachforschen wollte, energisch daran gehindert. Später hatte sich Taggarts Handgriff als ein Beutel mit einigen spanischen Gold- und Silberstücken entpuppt. Ein willkommenes Geschenk, denn Vitus schuldete der Albergue Pescador noch die Rechnung für Kost und Logis, und er hatte sich vorgenommen, als Erstes dorthin zu fahren.
    Der Zwerg wischte sich ein rotes Haarbüschel aus der Stirn, denn es war Mittag, und die Sonne brannte aus einem tiefblauen Junihimmel herab. »Wo bleibt’n nu der Rädling?«
    Vitus hielt nach einem Wagen Ausschau. »Ich weiß auch nicht. Fernandez sagte doch, hier würden Fuhrwerke halten.«
    Der Magister versuchte zu witzeln: »Vielleicht waren die Winde widrig, und der Herr Navigator hat sich in seiner Berechnung geirrt?«
    »Wiewo?« Der Zwerg hüpfte auf die Seekiste, was putzig aussah, denn er war so klein, dass seine Beinchen nicht einmal den Boden berührten. Sein kaulquappenartiges Mündchen öffnete und schloss sich. »Möcht fast krick auf’m Guineakahn sein, wui, da draußen is wenigstens Blasemann, nich?«
    »Ja, es ist wirklich sehr heiß.« Vitus spähte nach Norden, zur Stadt, von wo die Wagen eigentlich kommen mussten, und war dann umso überraschter, als er plötzlich rumpelnde Räder hinter sich hörte. Er drehte sich um und sah einen Pferdekarren, der von der Spitze des Anlegers kommend langsam auf sie zufuhr. Kurz bevor er auf gleicher Höhe mit den Freunden war, hielt er an. Der Kutscher, ein Knabe, blickte herüber.
    »Nanu, das ist doch Pedro!«, rief Vitus. »Du bist doch Pedro, nicht wahr?«
    Wieder so eine überflüssige Frage, dachte der Kutscherjunge und zog es vor zu schweigen.
    Der Magister, der ganz nah an den Karren herangetreten war, blinzelte. »Natürlich ist es Pedro, nicht wahr, mein Sohn?«
    Pedro antwortete nicht, sondern begnügte sich damit, die Freunde anzustarren.
    Vitus fragte: »Kannst du uns in die Stadt fahren? Wir müssen zur Albergue Pescador.«
    Pedro nickte langsam.
    »Heißt das ja? Es soll dein Schaden nicht sein!«
    »Ja doch, ja, ich fahr Euch, Señores.« Pedro sprang vom Wagen herab und half den Freunden beim Aufladen des Gepäcks. Wenig später waren sie unterwegs durch die von der Mittagshitze gelähmte Stadt. Vorbei an den Werftanlagen und die Calle de los Oficios hinauf und schließlich nach rechts, wo hundert Schritte weiter die Herberge auftauchte. Vitus hielt dem Kutscherjungen eine kleine Silbermünze vor die Nase: »Ist das genug?«
    »Ja, ’s is genug.«
    »Dann schaff unsere Habe hinein. Ich fürchte, wir müssen uns hier wieder für einige Zeit einquartieren.« Vitus strebte in den großen Gastraum und dem Pult zu, an dem Angel, der Wirt, seine Rechnungen zu schreiben pflegte. Auch heute war es nicht anders: Gerade nahm der dicke Wirt dienernd die Zeche von einigen Gästen entgegen. Vitus tippte ihm auf die Schulter. »
Buenos días
, Angel, ich komme zurück, um Kost und Logis zu zahlen und um zu fragen, ob Ihr wieder ein Zimmer für uns habt.«
    »Buenos días.«
Angels Stimme klang gedehnt, während er die Fäuste in die Hüften stemmte. »Ich hatte nicht mehr zu hoffen gewagt, Euch jemals wiederzusehen, Cirurgicus! Himmel und Hölle habe ich in Bewegung gesetzt, um herauszufinden, wo Ihr seid. Wie vom Erdboden verschluckt wart Ihr, wie vom Erdboden verschluckt!«
    »Ja, wir hatten eine, äh … unaufschiebbare Angelegenheit zu erledigen.«
    »So, hattet Ihr das?« Angel wippte auf den Zehenspitzen. »Nun, ich will Euch sagen, dass auch ich etwas hatte, Señor: Auslagen hatte ich, versteht Ihr? Auslagen! Schließlich wusste ich nicht, was mit Euch los war, und habe Euch noch eine ganze Woche lang das Zimmer freigehalten!«
    Vitus begann sich zu ärgern. Sicher, er und seine Freunde waren über Nacht verschwunden, und der Gedanke an Zechprellerei lag nahe, aber jetzt war er wieder da und wollte zahlen, und der Wirt hatte nicht das Recht, ihn so abzukanzeln. »So, Ihr habt uns also das Zimmer freigehalten?« Angel konnte ihm viel erzählen. Wie er ihn kannte, hatte er den Raum schon am nächsten Tag wieder vermietet. »Dann habt Ihr sicher auch unsere Habseligkeiten verwahrt, unter anderem einen Fellsack.«
    »Pah, das mottenzerfressene Ding! Hab es versetzen müssen, um wenigstens einen Bruchteil meiner Kosten wieder hereinzubekommen. Nein, nein, da ist noch

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