Der Chirurg von Campodios
von diesem Riesen, der Okumba hieß, und ihm fiel ein, dass er bei ihrem Kauf extra darauf geachtet hatte. Weil das die Sache vereinfachte …
»Die Niggermänner gehen heute nicht mehr aufs Feld, es würde nicht lohnen«, sagte er laut. »Bis sie eingewiesen sind, ist der Tag vorbei. Inkpot und Chopper, nehmt ihnen die Jochhölzer runter, danach ab mit ihnen in die Hütten.« Collincourt deutete in nördliche Richtung, wo in einiger Entfernung ein paar armselige Behausungen standen.
»Jawohl, Massa.«
Während die beiden Schwarzen sich beeilten, den Befehl ihres Herrn auszuführen, stand Collincourt leicht schwankend und sich den Hosenbund zurechtrückend da. In seinen rotgeränderten Augen glitzerte es. Endlich war es so weit. Alle Schwarzen konnten sich frei bewegen.
»Die Negerfrau bleibt hier. Sie hilft der alten Mary ab morgen in der Küche.« Er trat auf das Mädchen zu und ergriff es am Oberarm. »Komm mit, mein schwarzes Täubchen, der Massa will dir etwas zeigen.«
Doch kaum hatte Collincourt Okumbas Schwester angefasst, sprang dieser vor und versetzte dem Tabakpflanzer einen Faustschlag ins Gesicht. Collincourt taumelte zurück. Abermals schlug der Riese zu. Collincourt sank auf die Knie, was aussah, als wolle er in der Kirche beten. Stattdessen stieß er einen unartikulierten Laut aus und hielt sich schützend die Arme vors Gesicht. Der dritte Schlag jedoch blieb aus. Murphy hatte seine Muskete abgefeuert. Mit ohrenbetäubendem Knall strich das Geschoss dicht über Okumbas Kopf und bohrte sich in die Tür des Wohnhauses. Der Riese erstarrte zur Salzsäule. Ungläubig quollen seine Augen aus den Höhlen. Nie zuvor schien er Ähnliches erlebt zu haben.
»Verdammter Nigger, ich blas dir’s Hirn aus dem Kopf, wenn du überhaupt eins hast!« Murphy sprang auf den Schwarzen zu und fesselte ihn eigenhändig, dann half er Collincourt auf die Beine. »Seid Ihr unverletzt, Sir?«
»Ahem … ja.« Collincourts Stimme klang belegt. Er begann sich den Staub von der Hose zu klopfen, wobei er Okumba hasserfüllt musterte. »Murphy, Ihr sorgt dafür, dass dieser schwarze Satan morgen früh drei Dutzend Hiebe bekommt. Die Strafe soll vor den anderen Niggern vollzogen werden, noch bevor sie aufs Feld gehen. Ich will, dass er sich wünscht, er wäre nie geboren. Doch achtet darauf, dass er nicht krankgeschlagen wird. Er hat mich eine Stange Geld gekostet, und er soll arbeiten, bis ihm das Wasser in seiner Niggerfurche kocht!«
Abermals, diesmal unbehelligt, packte Collincourt die junge Frau am Arm und schob sie in Richtung seines Wohnhauses.
Okumbas Schwester zitterte am ganzen Körper.
»Ho, tobacco, ho!
Go, go, go!
Goin’ to, goin’ fro,
through a furrow
with a bow.
Ho, tobacco, ho!
Go, go, go!
Ho, tobacco, ho!
Go, go, go!
Goin’ zig, goin’ zag,
whip make crack
on my back.
Ho, tobacco, ho!
Go, go, go!«
Der schwermütige Singsang der Sklaven drang zu der rothaarigen Reiterin herüber, die abgesessen war und sich mit ihrem Pferd einem starken Pfahl näherte. An dem Pfahl hing in Mannshöhe der Magen einer Bisonkuh. Er diente den Schwarzen als Wasserbehälter.
»Darf ich meinem Braunen ein wenig von eurem Wasser geben?«, rief die Frau ihnen freundlich zu.
Ein paar der Sklaven hoben die Köpfe. Sie standen, einer hinter dem anderen, tief gebückt in den Furchen des Felds, wo sie in Dreiergruppen arbeiteten. Jeder hatte seine spezielle Aufgabe: Der erste hackte das Unkraut fort, damit die Tabakpflanzen Licht und Luft bekamen, der zweite pflückte die Spitzen ab, damit sie keine Blüten trieben, und der dritte sammelte Raupen, Käfer und sonstige Schädlinge von den Blättern.
»Oh ja, Ladymissu Arlette!« Ein dürrer Schwarzer mit sehnigen Armen richtete sich auf und stapfte herbei. »Brauchen Wasser nicht mehr, ist bald Ende Arbeit diesen Tag, Mbamo tut Rücken weh, merken daran!« Der Dürre deutete auf seine Hinterseite und grinste. »Ich helfen Ladymissu.«
Arlette lächelte und beobachtete Mbamo, wie er vorsichtig den Kuhmagen herunter nahm und seinen Inhalt in einen bereitstehenden Holzeimer goss. Der Mann nannte sie hartnäckig »Ladymissu«, seit sich herumgesprochen hatte, dass sie die Enkelin eines echten englischen Lords war. Dabei sah sie alles andere als ladylike aus: Statt eines Kleids nach der neuesten Londoner Mode trug sie eine lederne Reiterkluft, die ihren Körper vor Dornen und Buschwerk schützte. Statt eines Spitzenkragens und juwelenbesetzter Ketten trug sie ein
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