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Der Clan

Titel: Der Clan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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aufzuhalten und daß er auch nicht mit seiner Familie dorthin umzog.
    Sooft er allein nach Tokio kam, wußte er nicht, ob nicht im nächsten Augenblick Betsy an seine Zimmertür klopfte. Sie war sehr besitzergreifend und anhänglich und ließ ihn nicht aus den Augen. Sie wußte stets, wo er gerade war. Eines Nachts war sie auf diese
    Weise in seinem Hotelzimmer in Chicago erschienen, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt, ein andermal in Dallas.
    Die Verhandlungen mit Shizoka waren zäher vorangegangen, als er ursprünglich erwartet hatte, aber inzwischen waren sie sich einig, und die Sache war unterschriftsreif. Die Probleme, um die es vor allem gegangen war und die nun noch gelöst werden mußten, bestanden darin, den Shizoka-Motor so zu modifizieren, daß er in das neue Auto paßte (zu lösen in Japan) und ein Chassis und eine Karosserie zu bauen, die diesem modifizierten Antrieb entsprachen (zu lösen in Amerika).
    Er hatte sich Mühe gegeben, japanisch zu lernen, aber den Versuch, mit seinen neuen Geschäftspartnern in deren Sprache zu verhandeln, bald wieder aufgegeben. Er hatte außerdem entdeckt, daß die Japaner mit ihm doch lieber Englisch sprachen als Japanisch, das er ohnehin alles andere als perfekt beherrschte. Doch er verstand immer besser, was sie untereinander sprachen, hütete sich aber wohlweislich, sie das wissen zu lassen.
    Keijo Shigeto war ein 39 Jahre alter technischer Ingenieur, der großen persönlichen Anteil an der Entwicklung der Shizoka-Moto-ren hatte. Er war an jenem geschichtsträchtigen 6. August 1945 sieben Jahre alt gewesen und lebte jetzt in Matsuyama, auf der anderen Seite der Inlandssee vor Hiroshima. Er erinnerte sich immer noch an den unheimlich grellen Blitz, intensiv, sich rosa färbend, und an die nachfolgende seltsame Wolke, die in den Himmel stieg, für ihn wie ein Palme, nicht wie ein Pilz. Für seine Kinderaugen war es ein einziges Bündel von Blitzen und das Zentrum eines gewaltigen Gewitters. Seine Mutter hatte ihn schleunigst ins Haus gezerrt. Als er die Wolke später wiedersah, löste sie sich bereits auf und trieb nach Westen davon.
    Er war ein gutaussehender Mann mit leicht graumelierten Schläfen. Er war stolz auf sein Englisch, ließ sich aber auch gern korrigieren. Als Angelo einige Sätze auf japanisch versuchte, konnte er sich freilich das Lachen nicht verkneifen.
    Einmal lud er Angelo zum Essen in sein eigenes Haus ein. Angelo wußte zwar nicht so recht, ob das nun als förmliche oder zwanglose Angelegenheit gedacht war, war aber dann bereit, die Aufforderung zu akzeptieren, sich ebensoweit auszuziehen wie
    Keijo selbst, nämlich bis auf die Unterwäsche, und darüber dann einen Seidenkimono zu tragen. Er entledigte sich, Keijos Beispiel folgend, auch noch seiner Socken und zog dafür weiße über.
    So saßen sie im Schneidersitz an der niedrigen Tafel, er, Keijo, dessen Frau Toshiko und beider Sohn und Tochter. Die beiden Kinder waren elf und dreizehn Jahre alt und sprachen ein perfektes, amerikanisches Englisch. Toshiko, klein, zierlich und schön, trug traditionelle japanische Kleidung. Sie sprach kein Wort Englisch, hatte aber viele Fragen über amerikanische Lebensart und Gebräuche.
    Keijo übersetzte. Jede Frage begann mit der stereotypen Formel: »Mrs. Keijo wüßte gerne ...« Und jede Antwort wurde mit einem nervösen kleinen Kichern registriert. Angelo begriff, daß dies die höfliche Art war, den Erhalt der Antwort zu bestätigen und den Dank dafür auszudrücken.
    Das Essen, das zum größten Teil von einem sich ständig verbeugenden bedienenden Mädchen serviert wurde, war köstlich.
    Einige Monate später nahm Keijo Angelo in ein Teehaus mit. Das Essen dort war sehr viel förmlicher. Die Geishas spielten auf kleinen Saiteninstrumenten, sangen mit gekünstelten, puppenartigen Stimmen dazu und pflegten anschließend leichte Konversation. Die für Angelo Zuständige sprach etwas, was entfernt wie englisch klang. Sie war sehr schön, jedenfalls in dem strengen, traditionellen Geisha-Stil, der Angelo allerdings nicht so ganz lag.
    »Sie lieben Jack Kerouac?« wollte sie wissen.
    »Ich kenne seine Bücher nicht«, bedauerte Angelo.
    Daraufhin runzelte sie die Stirn, als könne sie das nicht recht verstehen, faßte sich aber wieder und fragte, nach wie vor unentwegt lächelnd: »Ja, richtig. Ist nicht so gut. Was dann lieber?«
    »Ach wissen Sie, ehrlich gesagt, bin ich so altmodisch, daß mir Mark Twain lieber ist als jeder andere

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