Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
haben, wo die Attentäter des Stammes gescheitert sind.«
Yasu trank noch einen Schluck und kicherte. »Andererseits mag Hisao Gewehre. Ein Gewehr ist mächtiger als alle Magie des Stammes, lassen Sie sich das gesagt sein. Hisao könnte noch für eine Ãberraschung gut sein!«
KAPITEL 29
»Du meinst, er hat die Jungen direkt bedroht?« Lady Arai raffte ihren Pelzüberwurf zusammen. Der Schneeregen, der seit ihrer Rückkehr aus Maruyama die ganze Woche vom Meer herübergetrieben war, hatte sich endlich in richtigen Schnee verwandelt. Der Wind war abgeflaut und die Flocken fielen sanft und stetig.
»Mach dir keine Sorgen«, antwortete Zenko. »Er will uns nur einschüchtern. Takeo wird ihnen niemals etwas antun. Er ist zu schwach, um das über sich zu bringen.«
»In Hagi schneit es bestimmt«, sagte Hana, starrte auf das ferne Meer und dachte an ihre Söhne. Seit ihrer Abreise im Sommer hatte sie sie nicht mehr gesehen.
Zenko sagte voller Schadenfreude: »In den Bergen auch. Wenn wir Glück haben, sitzt Takeo in Yamagata fest und kann erst im Frühling nach Hagi zurückkehren. In diesem Jahr schneit es früh.«
»Immerhin wissen wir, dass Lord Kono wohlbehalten auf dem Weg nach Miyako ist«, bemerkte Hana, denn sie hatten Nachricht vom Edelmann erhalten, bevor er Hofu verlassen hatte.
»Hoffentlich bereitet er Lord Otori im nächsten Jahrein warmes Willkommen«, sagte Zenko und lachte wie üblich kurz und schnaubend.
»Es war amüsant zu beobachten, wie er Takeo mit seiner Schmeichelei eingewickelt hat«, murmelte Hana. »Kono ist wirklich ein vorzüglicher und glaubwürdiger Lügner!«
»Wie er vor seinem Aufbruch sagte«, erwiderte Zenko. »Das Netz des Himmels ist groÃ, doch seine Maschen sind fein. Nun wird das Netz weiter zusammengezogen. Irgendwann wird Takeo darin gefangen sein.«
»Die Neuigkeiten über meine Schwester haben mich überrascht«, sagte Hana. »Ich hätte nicht gedacht, dass sie noch ein Kind bekommen könnte.« Sie strich über das Fell ihres Ãberwurfs, wollte es auf der Haut spüren. »Was, wenn sie einen Sohn bekommt?«
»Das wird nicht viel ändern, wenn alles nach Plan verläuft«, antwortete Zenko. »Genauso wenig wie das Angebot, dass Sunaomi eine ihrer Töchter heiratet.«
»Sunaomi darf auf keinen Fall einen Zwilling heiraten!«, stimmte Hana zu. »Aber wir tun erst einmal so, als ob.«
Sie lächelten einander verschwörerisch an.
»Takeos einzige gute Tat war es, dich mit mir zu verheiraten«, sagte Zenko.
Damit hat er einen schweren Fehler begangen , dachte Hana. Hätte er nachgegeben und mich zur zweiten Frau genommen, dann sähe die Sache anders aus. Ich hätte ihm Söhne geschenkt. Ohne mich wäre Zenko nur einer seiner vielen Vasallen und keine Bedrohung für ihn. Er wird dafür büÃen. Und Kaede auch.
Denn Hana hatte Takeo nie vergeben, sie zurückgewiesen zu haben, und sie hatte Kaede nie vergeben, dass diese sie im Stich gelassen hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Sie hatte Kaede angehimmelt, hatte sich an sie geklammert, als sie die Trauer um den Tod ihrer Eltern fast in den Wahnsinn getrieben hatte â und Kaede hatte sie im Stich gelassen, war eines Frühlingsmorgens davongeritten und nicht mehr zurückgekehrt. Danach hatte man Hana und Ai, ihre ältere Schwester, in Inuyama als Geiseln gefangen gehalten, und wenn Sonoda Mitsuru sie nicht gerettet hätte, wären sie hingerichtet worden.
»Du kannst noch Kinder bekommen!«, rief Zenko. »Lass uns noch mehr Söhne zeugen â ein ganzes Heer.«
Sie waren allein im Raum und sie glaubte schon, er wollte hier und jetzt damit beginnen, als leise an die Tür geklopft wurde. Sie glitt auf und ein Diener sagte: »Lord Arai, Kuroda Yasu ist da. Er hat jemanden dabei.«
»Sie sind trotz dieses Wetters gekommen«, sagte Zenko. »Gib ihnen etwas zu trinken, aber lass sie noch ein wenig warten, bevor du sie hereinführst, und sorg dafür, dass wir ungestört bleiben.«
»Kommt Kuroda jetzt ganz offen hierher?«, fragte Hana.
»Taku ist weit weg in Hofu â niemand spioniert uns jetzt aus.«
»Ich habe Taku nie gemocht«, sagte Hana unvermittelt.
Ein flüchtiger Ausdruck des Unbehagens glitt überZenkos groÃflächiges Gesicht. »Er ist mein Bruder«, ermahnte
Weitere Kostenlose Bücher