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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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noch ein Kind warst. Ich gebe dir alles, was du willst. Takeo hat den Tod unseres Vaters verschuldet. Unsere erste Pflicht unter dem Himmel besteht darin, dies zu rächen.«
    Â»Unser Vater hatte den Tod verdient«, erwiderte Taku und verkniff sich die Worte: Und du auch .
    Â»Nein, Takeo ist ein Hochstapler, ein Usurpator und ein Mörder. Unser Vater war nichts davon: Er war ein wahrer Krieger.«
    Â»Du siehst Takeo, als sähest du dich im Spiegel«, sagte Taku. »Du erblickst dein eigenes Spiegelbild. Der Usurpator bist du.«
    Seine Finger zuckten vor Verlangen, nach dem Schwert zu greifen, und er vibrierte am ganzen Körper, als er sich darauf vorbereitete, sich unsichtbar zu machen. Er war überzeugt, dass Zenko nun versuchen würde, ihn töten zu lassen. Es drängte ihn, den ersten Schlag zu führen, und zwar so sehr, dass er nicht wusste, ob er diesem Drang widerstehen konnte, doch irgendetwas hielt ihn zurück – ein unerwartet starkes Zögern, seinen Bruder zu töten, und die Erinnerung an Takeos Worte: Dass ein Bruder seinen Bruder tötet, ist undenkbar. Wie alle anderen, du eingeschlossen, lieber Taku, muss dein Bruder durch das Gesetz gezügelt werden.
    Taku atmete tief aus. »Sag mir, was du von Lord Otori verlangst. Lass uns verhandeln.«
    Â»Es gibt nichts zu verhandeln außer seinem Sturzund Tod«, erwiderte Zenko und zeigte offen seinen Zorn. »In dieser Sache bist du entweder für oder gegen mich.«
    Taku entschied sich zur Vorsicht. »Lass mich darüber nachdenken. Ich rede morgen noch einmal mit dir. Und denk auch du über deine Taten nach. Rechtfertigt dein Verlangen nach Rache den Ausbruch eines Bürgerkriegs?«
    Â»Gut«, sagte Zenko. »Oh, bevor du gehst – ich habe ganz vergessen, dir das hier zu geben.« Er zog einen Behälter aus Bambus unter seinem Gewand hervor und hielt ihn Taku hin. Dieser nahm ihn mit unguter Vorahnung, denn er wusste, dass man in den Drei Ländern darin Briefe transportierte. Die beiden Enden des Behälters waren mit Wachs versiegelt und mit dem Wappen der Otori gestempelt worden, doch man hatte ihn geöffnet.
    Â»Ich glaube, der Brief ist von Lord Otori«, sagte Zenko und lachte. »Hoffentlich hat er eine Wirkung auf deine Entscheidung.«
    Taku ging rasch aus dem Garten, immer in der Erwartung, jeden Moment einen Pfeil oder ein Messer durch die Luft sausen zu hören, und er verließ die Residenz ohne weiteren Abschied. Am Tor warteten seine Wachen mit den Pferden. Er ergriff Ryumes Zügel und stieg schnell in den Sattel.
    Â»Lord Muto«, sagte der Mann neben ihm leise.
    Â»Was ist?«
    Â»Vorhin hat Ihr Pferd gehustet, als könnte es nicht atmen.«
    Â»Das liegt wahrscheinlich an der Frühlingsluft. Heute Nacht ist sie voller Pollen.« Er verdrängte die Befürchtungen des Mannes, da er selbst viel größere hatte.
    In seiner Herberge befahl er den Männern, den Pferden nicht die Sättel abzunehmen, sondern sie bereitzuhalten und die zwei Stuten für den Ritt fertig zu machen. Dann ging er hinein zu Sada, die ihn erwartete. Sie war noch angezogen.
    Â»Wir brechen auf«, sagte er zu ihr.
    Â»Was hast du herausgefunden?«
    Â»Zenko hat nicht nur einen Pakt mit Akio geschlossen, sondern sich auch mit den Fremden verbündet. Er tut so, als hätte er ihren Glauben angenommen, und im Gegenzug rüsten sie ihn mit Waffen aus.« Er hielt ihr den Brief hin. »Er hat Takeos Korrespondenz abgefangen. Darum haben wir nichts von ihm gehört.«
    Sada nahm den runden Behälter und zog den Brief heraus. Sie überflog ihn hastig. »Er bittet dich, sofort nach Inuyama zu kommen – aber das ist bestimmt schon Wochen her. Jetzt ist er sicher fort, oder?«
    Â»Wir müssen trotzdem dorthin. Wir reiten sofort los. Der Mond scheint hell genug. Wenn Takeo Inuyama verlassen hat, werde ich ihm über die Grenze folgen. Er muss sofort umkehren und sein Heer aus dem Osten hierherbringen. Weck Maya. Sie muss uns begleiten. Ich darf sie nicht hierlassen, sonst wird sie von Akio entdeckt. In Inuyama seid ihr beide in Sicherheit.«
    Maya hatte einen jener seltsam gefärbten Tierträume, in denen ihr Bruder, dessen Gesicht sie inzwischen kurzgesehen hatte, in unterschiedlichen Verkleidungen und manchmal in Begleitung von Geistern erschien. Er war immer mordlüstern und trug Furcht einflößende Waffen bei sich, und

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