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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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feierlicher Stimme und vielen zusätzlichen eleganten Phrasen und archaischen Höflichkeitsfloskeln wiederholt. Als er geendet hatte, verneigten sich alle noch einmal. Ein kurzes Schweigen trat ein, in dessen Verlauf Takeo das Gefühl hatte, dass ihn der Kaiser durch die Spalten im Bambuswandschirm in Augenschein nahm.
    Dann sprach der Kaiser selbst hinter dem Wandschirm. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    Â»Seien Sie willkommen, Lord Otori. Es ist uns einegroße Freude, Sie zu empfangen. Wir sind uns der uralten Verbindung zwischen unseren Familien bewusst.«
    Takeo vernahm diese Worte, bevor sie von dem Minister weitergegeben wurden, und daher hatte er Zeit, seine Haltung kaum merklich zu verändern, um Sagas Reaktion zu beobachten. Er meinte, den Mann neben sich ganz leise keuchen zu hören. Die Worte des Kaisers waren kurz – besagten aber viel mehr, als er sich zu erhoffen gewagt hatte: eine Anerkennung sowohl der Abstammung der Otori als auch seines eigenen Titels. Das war eine große und unerwartete Ehre.
    Er wagte zu sagen: »Darf ich ein Wort an Eure Majestät richten?«
    Die Bitte wurde wiederholt, und die Erlaubnis des Kaisers wurde verkündet.
    Â»Vor vielen Jahrhunderten haben die Vorfahren Eurer Majestät dieses Schwert, Jato, an Otori Takeyoshi überreicht«, sagte Takeo. »Mein Vater Shigeru hat es mir vor seinem Tod vererbt. Man hat mich aufgefordert, es Euch zurückzugeben, und das tue ich nun voller Demut. Ich biete es Euch als Zeichen meiner Treue und Dienste dar.«
    Der Minister der Rechten besprach sich mit dem Kaiser und wandte sich dann wieder an Takeo.
    Â»Wir akzeptieren Ihr Schwert und Ihre Dienste.«
    Takeo rutschte auf den Knien nach vorne und löste das Schwert von seinem Gürtel. Als er es mit beiden Händen darbot, verspürte er ein furchtbar schmerzhaftes Bedauern.
    Lebe wohl , sagte er im Stillen.
    Der niederste Minister nahm Jato entgegen, und es wurde von einem Beamten zum anderen weitergereicht, bis der Minister der Linken es entgegennahm und vor dem Wandschirm ablegte.
    Es wird sprechen. Es wird zu mir zurückfliegen , dachte Takeo, doch Jato lag stumm und reglos da.
    Der Kaiser sprach noch einmal, und seine Stimme klang in Takeos Ohren nicht wie die eines Gottes, ja nicht einmal wie die eines großen Herrschers, sondern wie die eines Menschen aus Fleisch und Blut, der neugierig war und sich nicht leicht beirren oder manipulieren ließ.
    Â»Ich möchte jetzt gern das Kirin mit eigenen Augen sehen.«
    Unruhe und Verwirrung kamen auf, denn niemand schien genau zu wissen, wie man sich nun verhalten sollte. Dann trat der Kaiser hinter dem Wandschirm hervor und streckte die Arme aus, damit ihm seine Gefolgsleute die Stufen hinunterhelfen konnten.
    Er trug goldene Gewänder, die auf dem Rücken und auf den Ärmeln mit scharlachroten Drachen bestickt waren. Sie ließen ihn größer wirken, als er tatsächlich war, aber Takeos Vermutung traf zu. Sah man einmal von den prächtigen Kleidern ab, so stand da ein eher kleiner Mann von ungefähr achtundzwanzig Jahren. Seine Wangen waren rundlich, der kleine und feste Mund zeugte von Willensstärke und Klugheit. Seine Augen funkelten vor lauter Vorfreude.
    Â»Lord Otori soll mich begleiten«, sagte er, als er an Takeo vorbeiging, und dieser folgte ihm auf den Knien.
    Shigeko wartete draußen mit dem Kirin. Als sich derKaiser näherte, fiel sie auf ein Knie, senkte den Kopf und bot die Kordel dar, indem sie sagte: »Eure Majestät: Dieses Geschöpf ist nichts im Vergleich mit Eurer Herrlichkeit, doch wir möchten es Euch in der Hoffnung schenken, dass Ihr mit Wohlwollen auf Eure Untertanen in den Drei Ländern blickt.«
    Die Miene des Kaisers zeigte völliges Erstaunen, vermutlich sowohl darüber, von einer Frau angeredet worden zu sein, als auch über das Kirin. Er nahm die Kordel behutsam entgegen, warf über die Schulter einen Blick auf die Höflinge, sah zum langen Hals und zum Kopf des Kirin auf und lachte vor Freude.
    Â»Eure Majestät können es gern berühren«, sagte Shigeko. »Es ist sehr sanftmütig.«
    Der Halbgott streckte eine Hand aus und streichelte das weiche Fell des sagenhaften Geschöpfes. »Das Kirin erscheint nur, wenn ein Herrscher den Segen des Himmels erhalten hat«, murmelte er.
    Â»Dann sind Eure Majestät wahrhaftig gesegnet«, erwiderte Shigeko ebenso leise.
    Da

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