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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Achtung empfand, der ihm seit seiner Kindheit immer treu ergeben gewesen war, der Klugheit und Tapferkeit in sich vereinte und Shigeko so sehr liebte. Doch all dies zählte nichts in Anbetracht des Ranges und der Autorität Saga Hidekis.
    Gemba unterbrach seine Gedanken. »Takeo, wir dachten, du würdest gern Lady Shigekos Waffen sehen.« Er stellte die Kiste auf den Fußboden und Shigeko kniete sich daneben, um sie zu öffnen.
    Â»Sie ist sehr klein«, sagte Takeo beunruhigt. »Sie kann doch unmöglich Bogen und Pfeile enthalten.«
    Â»Stimmt, sie ist klein«, gab Gemba zu. »Aber Shigeko ist nicht sehr groß und daher braucht sie etwas Handliches.«
    Shigeko holte einen wunderschönen kleinen Bogen heraus, einen Köcher und schließlich Pfeile mit stumpfen Spitzen und weißer und goldener Befiederung.
    Â»Soll das ein Witz sein?«, fragte Takeo, dessen Herz sich vor Schreck verkrampfte.
    Â»Bestimmt nicht, Vater. Schau nur: Die Pfeile sind mit Hououfedern befiedert.«
    Â»In diesem Frühjahr gab es so viele Vögel, dass wir genug Federn sammeln konnten«, erklärte Gemba. »Sie haben sie zu Boden fallen lassen wie eine Opfergabe.«
    Â»Dieses Spielzeug kann doch keinem Spatzen etwas anhaben, geschweige denn einem Hund«, sagte Takeo.
    Â»Aber du willst doch nicht, dass wir die Hunde verletzen, Vater«, sagte Shigeko lächelnd. »Wir wissen ja, wie sehr du sie magst.«
    Â»Es ist eine Hundejagd!«, rief er. »Deren Zweck darin besteht, so viele Hunde wie möglich zu treffen – mehr als Saga!«
    Â»Sie werden mit Sicherheit getroffen«, sagte Gemba. »Aber bei diesen Pfeilen besteht nicht die Gefahr einer Verletzung.«
    Takeo erinnerte sich an die Flamme, in der seine Verärgerung verglüht war, und versuchte, seine jetzige Verärgerung zu unterdrücken. »Zaubertricks?«
    Â»Viel mehr als das«, erwiderte Gemba. »Wir werden die Kraft des Weges des Houou einsetzen: das Gleichgewicht zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen. Solange dieses Gleichgewicht bestehen bleibt, ist die Kraft unbesiegbar. Sie ist es, die die Drei Länder zusammenhält: Du und deine Frau seid ihre lebenden Symbole. Deine Tochter ist ihr Resultat, ihre Verkörperung.«
    Er lächelte zuversichtlich, als erriete er Takeos unausgesprochene Bedenken. »Der Wohlstand und die Zufriedenheit, auf die du mit Recht so stolz bist, wären ohne dieses Gleichgewicht nicht möglich. Lord Saga erkennt die Kraft des Weiblichen in keiner Weise an und daher wird er besiegt werden.
    Ãœbrigens«, sagte Gemba, als sie einander eine gute Nacht wünschten. »Vergiss nicht, morgen dem Kaiser Jato darzubieten.« Und als er Takeos erstaunten Blick sah, fuhr er fort: »War das nicht eine der Forderungen in Konos erster Botschaft?«
    Â»Natürlich, ja, aber ich sollte auch ins Exil gehen. Was ist, wenn der Kaiser das Schwert behält?«
    Â»Jato findet immer seinen rechtmäßigen Besitzer, oder? Außerdem kannst du es nicht mehr benutzen. Es ist an der Zeit, es weiterzugeben.«
    Tatsächlich hatte Takeo das Schwert seit dem Tod Kikuta Kotaros und dem Verlust seiner Finger in keiner Schlacht mehr geführt, aber es war kaum ein Tag verstrichen, ohne dass er es getragen hatte. Jato bedeutete ihm unendlich viel, zumal er es von Shigeru bekommen hatteund es die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft symbolisierte. Die Vorstellung, auf das Schwert zu verzichten, verstörte ihn so tief, dass er nach dem Umziehen das Bedürfnis verspürte, eine Weile zu meditieren.
    Er schickte Minoru und seine Diener fort und saß allein im dunklen Zimmer, horchte auf die Geräusche des Abends und verlangsamte Atem und Gedanken. Vom Flussufer, wo die Bürger der Stadt tanzten, drangen Musik und Trommelklang herüber. In einem Teich im Garten quakten Frösche und in den Büschen zirpten Grillen. Langsam dämmerte ihm, wie weise Gembas Rat war: Er würde Jato an die Kaiserfamilie zurückgeben, von der es stammte.
    Musik und Trommeln erschallten bis spät in die Nacht, und am nächsten Morgen füllten sich die Straßen wieder mit tanzenden Männern, Frauen und Kindern. Takeo, der ihnen lauschte, als er sich für die Audienz beim Kaiser ankleidete, hörte nicht nur Lieder über das Kirin, sondern auch über den Houou.
    Der Houou nistet in den Drei Ländern.
Lord Otori ist in der Hauptstadt

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