Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
Shigeko die Worte eines männlichen Herrschers benutzt hatte, fragte der Kaiser: »Ist dies ein Mann oder eine Frau?« Er richtete die Frage an Saga, der wie Takeo auf den Knien näher gekommen war.
»Eure Majestät, dies ist Lady Maruyama, die Tochter Lord Otoris.«
»Aus dem Land, in dem die Frauen herrschen? Lord Otori hat viele exotische Dinge mitgebracht! Alles, was wir über die Drei Länder erfahren, trifft zu. Ich würde sie liebend gern besuchen, aber ich kann die Hauptstadtunmöglich verlassen.« Er streichelte wieder das Kirin. »Welche Gegengabe kann ich bieten?«, sagte er. »Ich fürchte, ich habe nichts Vergleichbares.« Er stand kurz da, als wäre er tief in Gedanken versunken, und dann fuhr er herum, als hätte ihn eine Inspiration überkommen. »Bringt mir das Otorischwert!«, rief er. »Ich werde es Lady Maruyama übergeben!«
Takeo erinnerte sich an eine Stimme aus der Vergangenheit: So geht es von Hand zu Hand . Kenji. Das Schwert, das Kenji nach der Niederlage bei Yaegahara Shigeru gegeben und das Yuki, Kenjis Tochter, Takeo gebracht hatte, wurde nun vom Kaiser persönlich in die Hände Maruyama Shigekos übergeben.
Takeo verneigte sich wieder bis zum Boden, und als er sich aufrichtete, betrachtete der Kaiser ihn mit scharfem Blick. In diesem Moment sah er sich der verlockenden Versuchung absoluter Macht gegenüber. Wer auch immer in der Gunst des Kaisers stand â oder, um es einfacher zu sagen, den Kaiser kontrollierte â, kontrollierte auch die Acht Inseln.
Das könnten Kaede und ich sein , dachte er. Wir könnten mit Saga wetteifern: Wenn wir ihn morgen im Wettkampf besiegen, könnten wir ihn ersetzen. Unsere Armee steht bereit. Ich kann schon im Voraus Boten zu Kahei schicken. Wir treiben ihn in den Norden zurück und von dort ins Meer. Er wird derjenige sein, der ins Exil geht, nicht ich!
Er schwelgte ein paar Augenblicke in dieser Vorstellung und verwarf sie dann. Er hatte kein Interesse an den Acht Inseln. Er wollte nur die Drei Länder und er wollte, dass dort weiter Friede herrschte.
Der Rest des Tages verging mit Feiern, mit Musik und Schauspiel und Gedichtwettbewerben. Es gab sogar eine Vorführung des Lieblingsspiels der jungen Edelmänner, des Tretballs, bei der sich Lord Kono als unerwartet geschickt erwies.
»Seine träge Art täuscht über seine Kraft und Wendigkeit hinweg«, sagte Takeo leise zu Gemba.
»Sie werden alle würdige Gegner sein«, stimmte Gemba voller Ernst zu.
Vor Sonnenuntergang gab es noch ein Pferderennen, das Lord Sagas Mannschaft auf den neuen Pferden aus Maruyama mit Leichtigkeit gewann. Dies lieà die Bewunderung, die man den Besuchern allgemein entgegenbrachte, sowie die Freude und das Erstaunen über ihre unvergleichlichen Geschenke noch weiter wachsen.
Die Ereignisse des Tages hatten zur Folge, dass Takeo erfreut und ermutigt zu seiner Residenz zurückkehrte, obwohl er sich immer noch Sorgen wegen des kommenden Tages machte. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie geschickt und wie gut zu Pferd ihre Gegner waren. Unmöglich, dass seine Tochter sie besiegen sollte. Doch Gemba hatte Recht gehabt, was das Schwert betraf. Er musste ihm auch hinsichtlich des Wettkampfes vertrauen.
Er hatte die Ãlseidenvorhänge der Sänfte geöffnet, um die Abendluft genieÃen zu können, und als sie durch das Tor getragen wurde, sah er aus den Augenwinkeln den Umriss eines Menschen, der die Unsichtbarkeit einsetzte. Das erstaunte ihn, denn er hatte nicht erwartet, dass der Stamm auch in der Hauptstadt vertreten war:Nichts in seinen Aufzeichnungen deutete darauf hin, dass der Stamm so weit nach Osten vorgedrungen war, und auch die Mutofamilie wusste nichts davon.
Er tastete instinktiv nach seinem Schwert, begriff, dass er unbewaffnet war, verspürte die bekannte plötzliche Neugier, als er sich wieder mit seiner Sterblichkeit konfrontiert sah â wäre dies schlieÃlich der erfolgreiche Mordversuch, war die Prophezeiung doch falsch? All dies ging in dem Augenblick in ihm vor, als man die Sänfte absetzte und er ausstieg. Er lieà sein Gefolge stehen, lief zum Tor und suchte mit Blicken das Menschengewimmel ab, wobei er sich fragte, ob er sich vielleicht geirrt hatte. Sein Name wurde von vielen Stimmen gesungen, doch eine davon meinte er zu kennen, und dann erblickte er das Mädchen.
Er erkannte sie augenblicklich als
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