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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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eine Muto, doch es dauerte zwei oder drei Momente, bis ihm ihr Name einfiel: Mai, Sadas Schwester, die man im Haushalt der Fremden untergebracht hatte, damit sie deren Sprache lernte und sie ausspionierte.
    Â»Komm sofort herein«, befahl er ihr.
    Sobald sie drinnen waren, erteilte er den Wachtposten den Befehl, die Tore zu schließen und zu verriegeln. Dann wandte er sich an das Mädchen. Sie wirkte erschöpft und mitgenommen vom langen Weg.
    Â»Was machst du hier? Hast du Neuigkeiten von Taku? Hat Jun dich geschickt?«
    Â»Ich muss unter vier Augen mit Lord Otori reden«, flüsterte sie.
    Er sah die Trauer, die in den Falten um ihren Mundund in ihrem Blick zum Ausdruck kam, und aus Angst vor dem, was sie ihm zu erzählen hatte, begann sein Herz zu rasen.
    Â»Warte hier. Ich lasse sofort nach dir schicken.«
    Er rief die Dienerinnen herbei, damit sie ihm aus den feierlichen Gewändern halfen, und entließ sie dann mit den Befehlen, das Mädchen zu ihm zu schicken, Tee zu bringen und sicherzustellen, dass man sie nicht störe. Nicht einmal seine Tochter, nicht einmal Lord Miyoshi dürften hereinkommen.
    Mai kam in das Zimmer und fiel vor ihm auf die Knie. Eine Dienerin brachte Schalen mit Tee und Takeo drückte dem Mädchen eine in die Hand. Die Nacht brach an und trotz des warmen Abends war sie blass und zitterte.
    Â»Was ist passiert?«, fragte er.
    Â»Lord Taku und meine Schwester sind tot, Lord.«
    Obwohl er genau dies erwartet hatte, traf ihn die Nachricht wie ein Schlag ins Gesicht. Er starrte Mai an, konnte kein Wort hervorbringen und spürte, wie die furchtbare Flut der Trauer in seinen Adern zu tosen begann. Er wies sie mit einer Geste an, fortzufahren.
    Â»Angeblich sind sie einen Tagesritt von Hofu entfernt von Straßenräubern überfallen worden.«
    Â»Räuber?«, sagte Takeo ungläubig. »Welche Räuber soll es denn in den Drei Ländern geben?«
    Â»Das ist die offizielle Version Zenkos«, antwortete Mai. »Aber Zenko hält seine schützende Hand über Kikuta Akio. Gerüchte besagen, Akio und sein Sohn hätten Taku getötet, um Kotaros Tod zu rächen. Sada ist gemeinsam mit ihm gestorben.«
    Â»Und meine Tochter?«, flüsterte Takeo, dem die Tränen kamen.
    Â»Lord Otori, niemand weiß, wo sie ist. Sie ist bei dem Überfall nicht getötet worden, aber ob sie entkommen ist oder ob Akio sie gefangen hat …«
    Â»Akio hat meine Tochter?«, wiederholte er wie vor den Kopf gestoßen.
    Â»Vielleicht konnte sie fliehen«, sagte Mai. »Aber bislang ist sie weder in Kagemura noch in Terayama oder an irgendeinem anderen Ort aufgetaucht, wo sie hätte Zuflucht suchen können.«
    Â»Hat meine Frau davon erfahren?«
    Â»Das weiß ich nicht, Lord.«
    Er begriff, es gab noch etwas, einen weiteren Grund, der das Mädchen zu dieser langen Reise veranlasst hatte, zu der es vermutlich ohne Erlaubnis und Wissen des Stammes, ja sogar Shizukas aufgebrochen war.
    Â»Aber Takus Mutter wird man bestimmt davon unterrichtet haben, oder?«
    Â»Auch das weiß ich nicht. Mit dem Netzwerk der Muto stimmt etwas nicht, Lord. Botschaften werden fehlgeleitet oder von den falschen Empfängern gelesen. Die Leute verkünden, dass es wieder sein soll wie früher, als der Stamm echte Macht ausgeübt hat. Kikuta Akio steht Zenko sehr nahe und viele Muto heißen diese neue Freundschaft gut – sie meinen, es sei so wie zwischen Kenji und Kotaro, wie damals, bevor …«
    Â»Bevor ich erschienen bin«, sagte Takeo düster.
    Â»Das wollte ich nicht sagen, Lord Otori. Die Muto haben Ihnen Gefolgschaft geschworen, und Taku undSada waren Ihnen treu. Das zählt für mich. Ich habe niemandem erzählt, dass ich Hofu verlasse, und gehofft, Lady Shigeko und Lord Hiroshi einholen zu können, aber sie waren mir immer ein paar Tage voraus. Ich bin ihnen einfach immer weiter gefolgt, bis ich schließlich die Hauptstadt erreicht habe. Ich war wochenlang unterwegs.«
    Â»Ich bin dir sehr dankbar.« Takeo fiel ein, dass auch sie trauerte. »Und tief betrübt darüber, dass deine Schwester in den Diensten meiner Familie den Tod gefunden hat.«
    Ihre Augen glänzten im Kerzenschein, doch sie weinte nicht.
    Â»Sie wurden mit Feuerwaffen angegriffen«, sagte sie verbittert. »Mit herkömmlichen Waffen hätte sie niemand töten können. Taku wurde im Nacken

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