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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Ist Shizuka bei ihr?«
    Â»Seit Ihrer Abreise sind viele schreckliche Dinge geschehen«, flüsterte Ishida. »Meine Frau hat vor kurzem einen Sohn verloren. Sie scheint vor Trauer verrückt geworden zu sein. Sie sitzt vor dem Tempel Daifukuji, ohne etwas zu essen, und ruft ihren anderen Sohn zu gerechtem Handeln auf. Daraufhin ist Zenko voller Zorn nach Kumamoto zurückgekehrt, wo er eine Armee aufstellt.«
    Â»Zenkos Frau und seine Söhne sind in Hagi«, sagte Takeo. »Er wird doch wohl nicht ihr Leben aufs Spiel setzen.«
    Â»Hana und die Jungen sind nicht mehr in Hagi«, sagte Ishida.
    Â»Wie? Kaede hat sie gehen lassen?«
    Â»Lord Takeo«, sagte Ishida verzweifelt. »Sie ist mit ihnen abgereist. Sie befinden sich alle auf dem Weg nach Kumamoto.«
    Â»Ah!«, sagte Gemba leise. »Jetzt wissen wir, was aus dem Lot geraten ist.« Er weinte nicht, aber sein Gesicht nahm einen bekümmerten und mitfühlenden Ausdruck an. Er rückte ein wenig näher an Takeo heran, als wollte er diesen körperlich stützen.
    Takeo saß da wie erstarrt. Seine Ohren hatten die Worte zwar gehört, aber er konnte sie nicht begreifen. Kaede hatte Hagi verlassen? Sie war nach Kumamoto gereist und hatte sich in die Hände jenes Mannes begeben, der sich gegen ihn verschworen hatte? Warum sollte sie das tun? Ihn verlassen, um sich mit dem Mannihrer Schwester zu verbünden? Das würde sie niemals tun.
    Doch er spürte einen körperlichen Schmerz und ihm war, als hätte man ihm einen Arm ausgerissen. Sein Geist begann, im Dunkel zu versinken, jenem Dunkel, das das ganze Land zu verschlucken drohte.
    Â»Ich muss zu ihr«, sagte er. »Gemba, sattele die Pferde. Wo sind sie jetzt? Wann sind sie aufgebrochen?«
    Â»Ich habe mich vor zwei Wochen auf den Weg gemacht«, antwortete Ishida. »Sie wollten ein paar Tage später aufbrechen und die Route über Tsuwano und Yamagata nehmen.«
    Â»Kann ich sie in Yamagata abfangen?«, fragte Takeo Gemba.
    Â»Man reitet eine Woche bis dorthin.«
    Â»Ich schaffe es in drei Tagen.«
    Â»Sie sind langsam«, sagte Ishida. »Ihre Abreise hat sich verzögert, weil Lady Kaede so viele Männer wie möglich mitnehmen wollte.«
    Â»Aber warum? Aus Trauer über den Tod des Kindes? Hat sie darüber wirklich den Verstand verloren?«
    Â»Das weiß ich beim besten Willen nicht«, sagte Ishida. »Ich konnte sie weder trösten noch umstimmen. Mir fiel nur ein, Ai um Hilfe zu bitten, also habe ich Hagi heimlich verlassen, auch in der Hoffnung, Sie auf Ihrem Heimweg zu treffen.«
    Er sah Takeo nicht an und wirkte sowohl schuldbewusst als auch verwirrt. »Lord Takeo«, fuhr er fort, aber Takeo ließ ihn nicht ausreden. Seine Gedanken begannen plötzlich zu rasen, nach Antworten zu suchen, zudiskutieren und zu flehen. Er würde jedem beliebigen Gott alles versprechen, wenn Kaede ihn nicht verließ.
    Â»Hiroshi ist schwer verwundet, Shigeko leicht«, sagte Takeo. »Das Kirin hat Ihre Pflege vermutlich auch nötig. Kümmern Sie sich so gut wie möglich um alle und bringen Sie sie nach Yamagata, sobald sie wieder reisefähig sind. Ich werde sofort dorthin aufbrechen und selbst herausfinden, was geschehen ist. Minoru, schick Botschaften an Miyoshi Kahei. Setze ihn über meine Abreise in Kenntnis.« Er verstummte und starrte Gemba verzweifelt an.
    Â»Ich muss mich darauf vorbereiten, gegen Zenko zu kämpfen. Aber wie soll ich gegen meine Frau kämpfen?«

KAPITEL 48

    Zu Beginn des Sommers lief die Flut in Hofu am Nachmittag auf, zur Stunde des Pferdes. Im Hafen herrschte große Geschäftigkeit: Die Schiffe, beladen mit den Erzeugnissen der Drei Länder, legten ununterbrochen an und ab und nutzten den sanften Westwind, der sie bis nach Akashi beförderte. Speiselokale und Herbergen wimmelten von Männern, die frisch von Bord gekommen waren, tranken, Neuigkeiten austauschten und Seemannsgarn erzählten. Sie brachten Erschrecken und Bedauern über den Tod von Muto Taku zum Ausdruck und staunten über seine Mutter, die in Daifukuji wie durch ein Wunder von den Vögeln gefüttert wurde und Arai Zenko zürnte, der seine Pflichten als Sohn auf so ungeheuerliche Art vernachlässigt und den Göttern gegenüber eine solche Verachtung an den Tag gelegt hatte, dass er mit Sicherheit dafür bestraft werden würde. Die Bürger von Hofu waren mutig und

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