Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
er zustimmend nickte, erhob sie sich und glitt mit jenem Gang zur Tür, der dem von Kaede so sehr ähnelte. Sie kehrte mit den Kindern zurück. Sie waren acht und sechs Jahre alt, trugen festliche Gewänder und schwiegen unter dem Eindruck der offiziellen Zusammenkunft. Beide trugen ihr Haar vorne lang.
»Der älteste ist Sunaomi, der jüngere Chikara«, sagte Hana, als sich die beiden Jungen vor ihrem Onkel bis zum Boden verbeugten.
»Ja, ich erinnere mich«, sagte Takeo. Er hatte die beiden seit mindestens drei Jahren nicht mehr gesehen, und Hanas Jüngsten, der im letzten Jahr geboren worden und wohl gerade bei seiner Amme war, hatte er noch nie zu Gesicht bekommen. Es waren hübsche Kinder. Der Ãltere hatte die langen GliedmaÃen und den schlanken Knochenbau der Shirakawaschwestern. Der Jüngere war rundlicher und stämmiger und hatte mehr von seinem Vater. Takeo fragte sich, ob einer von ihnen über ihre GroÃmutter Shizuka eine der Fähigkeiten der Mutofamilie geerbt hatte. Er würde Taku oder Shizuka fragen. Shizuka, dachte er, wäre es eine Freude, neben seinen Töchtern auch noch einen Enkel aufzuziehen, fürden sie wie eine zweite Mutter wäre, sowohl Freundin als auch Lehrerin.
»Setzt euch auf, Kinder«, sagte er. »Zeigt eurem Onkel eure Gesichter.«
Der ältere Junge, der Kaede so ähnlich sah, gefiel ihm sehr. Er war nur sieben Jahre jünger als Shigeko und fünf Jahre jünger als Maya und Miki â kein unüberwindbarer Altersunterschied für eine Heirat. Er befragte sie nach ihrem Unterricht, ihren Fortschritten mit Schwert und Bogen, ihren Ponys und war angetan von der Klugheit und Klarheit ihrer Antworten. Man hatte diese Jungen gut erzogen, egal, worin der geheime Ehrgeiz und die heimlichen Motive ihrer Eltern bestehen mochten.
»Ihr seid sehr groÃzügig«, sagte er noch einmal. »Ich werde die Sache mit meiner Frau besprechen.«
»Die Kinder werden mit uns zu Abend essen«, sagte Hana. »Dann werden Sie sie besser kennenlernen. Sunaomi ist zwar ein ganz gewöhnlicher Junge, aber trotzdem schon ein Liebling meiner älteren Schwester.«
Takeo fiel wieder ein, dass Kaede die Intelligenz und schnelle Auffassungsgabe des Jungen gelobt hatte. Er wusste, sie beneidete Hana und bedauerte es, keinen Sohn bekommen zu haben. Die Adoption ihres Neffen könnte ein Trost sein, aber wenn Sunaomi sein Sohn würde â¦
Er verdrängte diese Gedanken. Er musste sich an das halten, was politisch geboten war. Er durfte sich nicht von einer Prophezeiung beeinflussen lassen, die sich vielleicht niemals erfüllte.
Hana verschwand mit den Kindern, und Zenko sagte:»Ich kann nur wiederholen, es wäre uns eine groÃe Ehre, wenn Sie Sunaomi adoptieren würden â oder Chikara. Sie können sich entscheiden.«
»Im zehnten Monat werden wir noch einmal darüber reden.«
»Darf ich noch eine Bitte an Sie richten?«
Als Takeo nickte, fuhr Zenko fort: »Ich möchte Sie nicht beleidigen, indem ich in der Vergangenheit wühle, aber â erinnern Sie sich an Lord Fujiwara?«
»Natürlich«, erwiderte Takeo und unterdrückte Ãberraschung und Wut. Lord Fujiwara war der Edelmann, der seine Frau entführt und ihm seine bitterste Niederlage zugefügt hatte. Er war im groÃen Erdbeben umgekommen, doch Takeo hatte ihm nie vergeben und hasste selbst den Klang seines Namens. Kaede hatte geschworen, nie das Bett mit diesem falschen Gatten geteilt zu haben, und doch waren beide auf rätselhafte Art miteinander verbunden gewesen. Fujiwara hatte sie bezaubert und ihr geschmeichelt. Sie war einen Bund mit ihm eingegangen und hatte ihm die intimsten Geheimnisse von Takeos Liebe zu ihr erzählt. Im Gegenzug hatte er ihre Familie mit Geld und Nahrungsmitteln unterstützt, ihr viele Geschenke gemacht und sie schlieÃlich mit der persönlichen Erlaubnis des Kaisers geheiratet. Fujiwara hatte versucht, Kaede mit in den Tod zu reiÃen, und sie war nur knapp dem Schicksal entronnen, bei lebendigem Leib zu verbrennen, nachdem ihr Haar in Flammen aufgegangen war. Daher stammten ihre Narben und der Verlust ihrer Schönheit.
»Sein Sohn ist in Hofu und bittet um eine Audienz.«
Takeo schwieg, weil er nicht zugeben mochte, nichts davon zu wissen.
»Er führt den Namen seiner Mutter, Kono. Er ist vor ein paar Tagen mit dem Schiff gekommen, weil er
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