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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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dies mit dem Leben büßen. Die Frage der Heirat vertagen wir auf später. Deine Frau kann mit ihren Söhnen nach Hagi kommen, wenn sie mag, aber ich nehme an, du willst sie lieber hierbehalten.«
    Während dieser Rede hatte Takeo das Gesicht seines Schwagers genau beobachtet. Zenko sah ihn nicht an. Sein Blick flackerte unmerklich und seine Antwort kam zu schnell.
    Â»Lord Takeo muss wissen, dass ich ihm absolut treu ergeben bin. Was hat Kono Ihnen gesagt, dass Sie das bezweifeln? Hat er von Angelegenheiten des Ostens gesprochen?«
    Tu nicht so, als seist du völlig ahnungslos! Takeo war versucht, ihn sofort mit der Sache zu konfrontieren, entschied dann aber, es sei noch nicht an der Zeit.
    Â»Was er gesagt hat, ist egal – es ist unwichtig. Nun schwöre mir vor diesen Zeugen deine Treue als Vasall.«
    Zenko gehorchte und warf sich vor Takeo auf den Boden, doch dieser musste daran denken, wie Zenkos Vater Arai Daiichi geschworen hatte, ihm beizustehen, nur um ihn zu verraten, wie Arai im äußerstenMoment die Macht über das Leben seiner Söhne gestellt hatte.
    Der Sohn ist bestimmt genauso , dachte er. Ich sollte ihm hier und jetzt befehlen, sich das Leben zu nehmen . Doch vor einer solchen Tat schreckte er zurück, weil sie seiner Familie großes Leid zufügen würde. Besser, ihn zu zähmen, als ihn zu töten. Aber um wie viel einfacher wäre alles, wenn er tot wäre.
    Er verdrängte diesen Gedanken und verpflichtete sich wieder dem vielschichtigen und schwierigen Weg, der jenseits der täuschend einfachen Methoden des Mordens oder des Selbstmordes lag. Als Zenko mit seinen Treueschwüren fertig war, alle sorgsam von Minoru aufgezeichnet, verkündete Takeo, er wolle allein zu Abend essen und früh zu Bett gehen, da er morgens nach Hagi aufzubrechen gedenke. Er sehnte sich danach, an jenem Ort zu sein, den er als sein eigentliches Zuhause betrachtete, bei seiner Frau zu liegen und ihr sein Herz auszuschütten, seine Töchter wiederzusehen. Er sagte Zenko, die zwei Jungen sollten morgen bereit sein, mit ihm zu reisen.
    Den ganzen Tag über hatte es immer wieder geregnet, aber nun klarte sich der Himmel auf, ein sanfter Südwind trieb die dicken Wolken auseinander. Die Sonne glühte rosa und golden, als sie unterging, und ließ all die verschiedenen Grüntöne des Gartens aufleuchten. Der nächste Tag würde schön werden, bestens zum Reisen geeignet, und außerdem kam Takeo das Wetter bei dem gelegen, was er an diesem Abend vorhatte.
    Er nahm ein Bad und zog ein leichtes Baumwollgewand an, als wollte er sich schlafen legen, aß ein wenig, trank aber keinen Wein, und dann entließ er alle Dienermit den Worten, bis zum Morgen nicht gestört werden zu wollen. Er setzte sich im Schneidersitz auf die Matten und konzentrierte sich, die Augen geschlossen und Zeigefinger und Daumen gegeneinandergedrückt wie in tiefer Meditation. Er spitzte die Ohren und lauschte den Geräuschen in der Residenz.
    Takeo hörte jeden Laut: das leise Gespräch der Wachtposten am Tor, das Tratschen der Küchenmägde, die das Geschirr wuschen und wegstellten, die bellenden Hunde, die Musik der Hafenschänken, das ewige Gemurmel des Meeres, das Rascheln der Blätter und die Rufe der Eulen auf dem Berg.
    Er hörte, wie Zenko und Hana über Vorbereitungen für den nächsten Tag sprachen, doch ihr Gespräch war so harmlos, als wäre ihnen eingefallen, dass er lauschen könnte. Angesichts des gefährlichen Spiels, das sie begonnen hatten, durften sie nicht riskieren, dass er von ihrer Strategie erfuhr, vor allem, da er ihre Söhne mitnahm. Wenig später trafen sie sich mit Kono zum Abendessen, unterhielten sich dabei aber genauso unverbindlich, und Takeo erfuhr nur etwas über die Frisuren und Kleider, die zurzeit am Hof in Mode waren, über Konos Leidenschaft für Dichtung und Theater und die edlen Sportarten des Tretballs und der Hundejagd.
    Das Gespräch wurde lebhafter, denn Zenko sprach dem Wein genauso gern zu wie sein Vater. Takeo stand auf und zog sich ein schlichtes Gewand an, wie es die Kaufleute trugen. Als er an Jun und Shin vorbeiging, die wie immer vor seiner Tür saßen, hob Jun die Augenbrauen. Takeo schüttelte leicht den Kopf. Niemand sollte erfahren, dass er das Haus verlassen hatte. Auf den Stufen zum Garten schlüpfte er in Strohsandalen, machte sich unsichtbar und schritt durch das

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