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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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sagte er ruhig.
    Â»Shizuka war sehr wütend«, murmelte Miki.
    Â»Aber ich muss alles wissen, um euch beschützen und verhindern zu können, dass ihr anderen Menschen schadet. Ich bin euer Vater und in der Kikutafamilie stehe ich im Rang über euch. In beiden Fällen schuldet ihr mir Gehorsam.«
    Â»Passiert ist Folgendes«, sagte Maya. »Ich war wütend auf Mori Hiroki. Ich habe gemerkt, wie sehr er die Katze liebt. Er hat uns keines Blickes gewürdigt und das wollte ich ihm heimzahlen. Und die Katze war süß. Ich wollte mit ihr spielen. Also habe ich ihr in die Augen geschaut und konnte den Blick nicht mehr abwenden. Sie war süß, und ich wollte ihr wehtun, und ich konnte mich nicht bremsen.« Sie verstummte und sah ihren Vater hilflos an.
    Â»Erzähl weiter«, sagte er.
    Â»Ich habe sie eingesogen. Aus ihren Augen durch meine Augen. Sie ist in mich hineingesprungen. Sie hat gefaucht und miaut. Aber ich konnte den Blick nicht abwenden. Dann war die Katze tot. Und zugleich war sie noch lebendig.«
    Â»Und?«
    Â»Und Mori Hiroki war traurig und das hat mich gefreut.« Maya seufzte so tief auf, als hätte sie einen Vortrag beendet. »Das ist alles, Vater. Ehrenwort.«
    Er streichelte ihre Wange. »Du warst ehrlich zu mir. Aber du weißt, wie wirr deine Gefühle waren. Dein Verstand war nicht klar, aber wenn man die Stammesfähigkeiten einsetzt, muss er klar sein. Wenn du anderen Menschen in die Augen schaust, erkennst du ihre Schwächen und ihren Mangel an Klarheit. Das liefert sie deinem Blick aus.«
    Â»Was passiert jetzt mit mir?«, fragte Maya.
    Â»Ich weiß nicht. Um das herauszufinden, müssen wir dich beobachten. Du hast etwas Falsches getan. Nun wirst du mit den Folgen leben. Aber du musst mir versprechen, den Kikutaschlaf erst wieder anzuwenden, wenn ich es dir erlaube.«
    Â»Kenji wüsste es bestimmt«, sagte Miki und begann wieder zu weinen. »Er hat uns von den Tiergeistern und der Art und Weise erzählt, auf die der Stamm sie einsetzt.«
    Â»Ich wünschte, er wäre nicht tot«, sagte Maya, die auch wieder schluchzte.
    Takeo spürte, wie ihm die Tränen kamen: wegen seines Lehrers, der nun verloren für ihn war, und wegenseiner Zwillingstöchter, die er nicht vor einer Besessenheit mit unabsehbaren Folgen hatte bewahren können.
    Beide Mädchen standen dicht neben ihm im dampfenden Wasser, und ihre Haut, der seinen in Farbe und Textur so ähnlich, streifte seine Arme und Beine.
    Â»Wir müssen Sunaomi nicht heiraten, oder?«, fragte ihn die inzwischen ruhiger gewordene Maya.
    Â»Wieso? Wer sagt das?«
    Â»Sunaomi hat uns erzählt, dass er mit einer von uns beiden verheiratet werden soll!«
    Â»Nur, wenn er richtig ungezogen ist«, erwiderte Takeo. »Zur Strafe!«
    Â»Ich will überhaupt nicht heiraten«, sagte Miki.
    Â»Vielleicht überlegst du dir das eines Tages anders«, neckte Takeo sie.
    Â»Ich will Miki heiraten«, sagte Maya und begann zu kichern.
    Â»Ja, wir heiraten uns«, stimmte Miki zu.
    Â»Dann bekommt ihr keine Kinder. Um Kinder zu bekommen, braucht ihr einen Mann.«
    Â»Ich will keine Kinder«, sagte Miki.
    Â»Ich hasse Kinder«, pflichtete Maya bei. »Ganz besonders Sunaomi! Du nimmst Sunaomi doch nicht als deinen Sohn an, Vater, oder?«
    Â»Ich brauche keine Söhne«, antwortete Takeo.
    Am nächsten Tag fand Kenjis Bestattungszeremonie statt, und beim Schrein von Hachiman, nahe bei Tokoji, wurde ein Stein für ihn errichtet, der rasch zu einer Pilgerstätte für die Mutofamilie und andere Angehörige desStammes wurde. Kenji war wie Shigeru und Jo-An in die Welt der Geister eingegangen. Alle drei hatten zu Lebzeiten etwas Übermenschliches an sich gehabt. Nun ermutigten und beschützten sie jene, die noch mitten im Leben standen.

KAPITEL 16

    Mit dem Ende der Regenzeit setzte die große Hitze des Sommers ein. Shigeko stand jeden Tag vor Sonnenaufgang auf und ging zum Schrein am Flussufer, um eine gute Stunde mit dem Rappenfohlen zu verbringen, solange es noch kühl war. Die zwei alten Stuten bissen und traten das Fohlen und brachten ihm Benimm bei. In ihrer Gesellschaft war der junge Hengst ruhiger geworden und allmählich schien er Shigeko zu akzeptieren, wieherte, wenn sie kam, und zeigte eine gewisse Zuneigung.
    Â»Das ist eine völlig neue Seite an ihm«, bemerkte Mori Hiroki, der zusah, wie das

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