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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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und Miki, die die Narbe berührte, die auf einer Seite seines Halses begann und quer über die Brust verlief, bat ihn lieber nicht, die Geschichte dieses Kampfes zu erzählen.
    Takeo sprach milder. »Von euch wird viel verlangt. Ihr werdet sowohl als Krieger als auch in den Geheimnissen des Stammes ausgebildet. Ich weiß, das ist nicht einfach. Ihr habt viele Fähigkeiten – und ihr müsst sehr darauf achten, wie ihr sie einsetzt.«
    Miki sagte: »Geht es um die Katze?«
    Â»Erzählt mir von der Katze«, erwiderte er.
    Die Zwillinge tauschten einen Blick, antworteten aber nicht.
    Takeo zeigte auf sein Geschlecht, das schlaff und unschuldig im Wasser hing, und sagte: »Dort habe ich euchgetragen, ihr stammt von mir. Wie ich seid auch ihr als Kikuta gezeichnet. Es gibt nichts, das ihr mir nicht erzählen könntet. Maya, was ist mit der Katze passiert?«
    Â»Ich wollte ihr nicht wehtun«, begann Maya.
    Â»Du darfst mich nicht belügen«, ermahnte er sie.
    Sie fuhr fort: »Ich wollte einfach nur sehen, was passiert. Ich habe mir zwar gedacht, dass es der Katze wehtut, aber das war mir egal.« Sie klang ernst und sie sah ihm in die Augen. Eines Tages würde sie ihn herausfordern, doch jetzt hatte sie noch den Blick eines Kindes. »Ich war wütend auf Mori Hiroki.«
    Â»Er hat uns einfach übersehen«, erklärte Miki. »Als wären wir gar nicht da.«
    Â»Er mag Shigeko, aber uns mag er nicht«, sagte Maya.
    Â»Und das ist bei allen Leuten so«, sagte Miki, und als hätte Takeos Schweigen etwas in ihr gelöst, begann sie zu weinen. »Jeder hasst uns, weil es zwei von uns gibt!«
    Die Zwillinge weinten selten. Noch eine Eigenart, die ihnen etwas Unnatürliches verlieh.
    Maya weinte auch. »Und Mutter hasst uns, weil sie einen Jungen wollte, aber zwei Mädchen bekam.«
    Â»Das hat uns Chiyo erzählt.« Miki schluckte.
    Takeo zerriss es fast das Herz. Seine große Tochter zu lieben war einfach. Doch diese beiden Mädchen liebte er umso mehr, weil sie es einem nicht leicht machten, sie zu mögen, und er hatte Mitleid mit ihnen.
    Â»Ihr seid mir so kostbar«, sagte er. »Ich war immer froh, dass ihr zwei Mädchen seid. Zwei Mädchen sind mir lieber als alle Söhne dieser Welt.«
    Â»Wenn du hier bist, ist alles gut. Dann fühlen wir uns sicher und wollen nichts Böses anstellen. Aber du bist ja die meiste Zeit weg.«
    Â»Ich würde euch bei mir behalten, wenn das möglich wäre – aber es ist nicht immer möglich. Ihr müsst lernen, euch auch dann gut zu benehmen, wenn ich nicht da bin.«
    Â»Die Leute sollen uns nicht immer so anschauen«, sagte Maya.
    Â»Maya, du bist jetzt diejenige, die darauf achten muss, wo sie hinschaut. Du kennst doch die Geschichte – ich habe sie euch oft erzählt – von meiner Begegnung mit dem Unhold Jin-emon?«, fragte Takeo.
    Â»Ja«, sagten beide begeistert und wie aus einem Munde.
    Â»Als ich ihm in die Augen geschaut habe, ist er eingeschlafen. Das ist der Kikutaschlaf, den man benutzt, um einen Gegner außer Gefecht zu setzen. Genau das hast du mit der Katze getan, Maya. Aber Jin-emon war massig, so groß, wie das Schlosstor hoch ist, und schwerer als ein Ochse. Die Katze war klein und jung und der Schlaf hat sie getötet.«
    Â»Sie ist nicht wirklich tot«, sagte Maya, kam zu ihm und hängte sich an seinen linken Arm. »Sie ist in mich eingetreten.«
    Takeo unterdrückte Erschrecken und Sorge, weil er wollte, dass sie weitererzählte.
    Â»Sie lebt in mir weiter«, sagte Maya. »Und es gefällt ihr. Denn anders als vorher kann sie jetzt sprechen. Und mir gefällt es auch. Ich mag die Katze. Ich mag es, die Katze zu sein.«
    Â»Aber Jin-emon ist nicht in dich eingetreten, Vater, oder?«, fragte Miki. Die Sache war für sie genauso selbstverständlich wie die Unsichtbarkeit oder das zweite Ich und vielleicht genauso wenig schädlich.
    Â»Nein, denn am Ende habe ich ihm mit Jato die Kehle durchgeschnitten. Das war sein Tod, nicht der Schlaf.«
    Â»Bist du wütend wegen der Katze?«, fragte Maya.
    Er wusste, sie vertrauten ihm, und er wollte ihr Vertrauen nicht verlieren. Sie glichen scheuen wilden Tieren, die jeden Augenblick die Flucht ergreifen konnten. Er erinnerte sich an die schlimmen Monate bei den Kikuta und an die brutale Ausbildung.
    Â»Nein, ich bin nicht wütend«,

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