Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
Niemand. Hisao hatte auf einmal Mitleid mit ihm, versuchte aber sofort, es zu unterdrücken, weil ihn das Mitleid immer für die Stimmen der Toten öffnete. Die vertrauten Kopfschmerzen setzten ein und die Welt versank in einem Nebel. Die Frau flüsterte, doch Hisao verschloss vor ihren Worten die Ohren.
»Nun, vielleicht hast du Recht«, hörte er Akio wie aus weiter Ferne sagen. »Aber ein Krieg wird sich nicht für immer vermeiden lassen. Wir haben gehört, dass Otori Botschafter zum Kaiser geschickt hat.«
»Ja, du hast sie nur um wenige Wochen verpasst. Eine so prächtige Prozession habe ich noch nie gesehen. Otori muss wahrhaft reich sein, und auÃerdem hat er Geschmack und Stilgefühl, was dem Einfluss seiner Frau zu verdanken ist, wie man sich erzählt â¦Â«
»Und der Kaiser hat einen neuen General?«, unterbrach Akio die Schwärmerei des Kaufmannes.
»So ist es. Und auÃerdem, Cousin, hat dieser General neue Waffen â oder wird sie sehr bald haben. Angeblich wirbt Lord Otori aus diesem Grund um die Gunst des Kaisers.«
»Wie meinst du das?«
»Die Otori achten seit Jahren streng darauf, dass keine Feuerwaffen ausgeführt werden. Doch vor kurzem wurde dieses Ausfuhrverbot unterlaufen und man hat Feuerwaffen aus Hofu geschmuggelt â angeblich mit tatkräftiger Hilfe von Arai Zenko! Kennst du Terada Fumio?«
Akio nickte.
»Zwei Tage nach dem Eintreffen der Waffen ist Fumio hier angekommen und hat versucht, sie zurückzubekommen. Er hat getobt. Zuerst hat er viel Geld geboten, dann hat er gedroht, mit einer Flotte zurückzukehren und die Stadt in Schutt und Asche zu legen, wenn man ihm die Waffen nicht aushändigt. Aber es war zu spät â sie waren schon unterwegs zu Saga. Und du wirst nicht glauben, welche Wirkung dies auf die Preise von Eisen und Salpeter gehabt hat. Sie sind in schwindelnde Höhen geschnellt, Cousin, in schwindelnde Höhen!«
Jizaemon schenkte mehr Wein ein und drängte seine Gäste, mit ihm zu trinken.
»Teradas Drohungen kümmern hier niemanden«, kicherte er. »Er ist nur ein Pirat. Er hat früher selbst geschmuggelt, und zwar im groÃen Stil. Und Lord Otori wird die freie Stadt niemals angreifen, denn er braucht die Kaufleute für die Versorgung seines Heeres mit Ausrüstung und Proviant.«
Hisao wunderte sich, dass sein Vater fast nichts erwiderte. Akio trank tüchtig und nickte zustimmend zu allem, was Jizaemon sagte, doch er verzog den Mund immer mehr und sein Gesicht verdüsterte sich weiter.
Als Hisao nachts erwachte, hörte er, wie sein Vater sich leise mit Kazuo unterhielt. In der Erwartung erneuter dumpfer Mordgeräusche verkrampfte sich sein ganzer Körper, aber die beiden Männer hatten ein anderes Thema: Arai Zenko, der geholfen hatte, Feuerwaffen durch das Netz der Otori zu schaffen.
Hisao kannte Zenkos Geschichte. Er wusste, dass dieser der älteste Sohn Muto Shizukas und Kenjis GroÃneffe war, also ein entfernter Cousin von ihm. Zenko war der einzige Muto, den die Kikuta nicht verfluchten. Er war nicht in den Tod Kotaros verwickelt gewesen, und laut Gerüchten war er Takeo nicht bedingungslos ergeben, obwohl er dessen Schwager war. Man nahm an, dass er Takeo die Schuld am Tod seines Vaters gab, ja sogar einen heimlichen Wunsch nach Rache hegte.
»Zenko ist sowohl mächtig als auch ehrgeizig«, flüsterte Kazuo. »Wenn er wirklich versucht, sich bei Lord Saga einzuschmeicheln, führt er irgendetwas gegen den Hund im Schilde.«
»Es ist genau der richtige Zeitpunkt, um mit Zenko zu reden«, murmelte Akio. »Takeo ist mit der Bedrohung aus dem Osten beschäftigt, und wenn Zenko ihn von Westen angriffe, säÃe er in der Falle.«
»Ich glaube, Zenko würde es begrüÃen, wenn du Kontakt mit ihm aufnähmst«, erwiderte Kazuo. »AuÃerdem muss er nach Muto Kenjis Tod natürlich das neue Oberhaupt der Mutofamilie sein. Kann es einen besseren Zeitpunkt geben, um die Muto aufzusuchen, die Kluft im Stamm zu schlieÃen und die Familien wieder zu vereinen?«
Jizaemon, offenbar froh, seine Besucher loszuwerden, versorgte sie mit Passierscheinen und stattete sie mit Kaufmannskleidern und anderem Zubehör aus. Er verschaffte ihnen Plätze an Bord eines der Schiffe seiner Gilde, das wenige Tage später die Segel setzte, um über Hofu nach Kumamoto zu fahren, begünstigt vom
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