Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
nicht einmal Arai. Ich dachte, ich sollte es dir zuerst sagen, falls â¦Â«
Wenn es dem Stamm nicht passte, würde sie gezwungen, es loszuwerden, wie es zuvor geschehen war, das wusste sie. Ihre Tante Seiko hatte wie alle Frauen vom Stamm viele Methoden, unerwünschte Kinder abzutreiben. Sie würde das notwendige Gebräu sofort bekommen, das Kind wäre bis zum Einbruch der Nacht weg. Sie spürte, wie sich ihre Bauchmuskeln ängstlich verkrampften.
»Normalerweise mögen wir, wie du weiÃt, keine Vermischung des Bluts«, sagte Kenji. »Aber ich sehe viele Vorteile darin, dass du dieses Kind bekommst. Es sichert dir bestimmt ein dauerhaftes Verhältnis mit Arai, selbst wenn eure Leidenschaft füreinander vergeht â und das wird sie, das wird sie, glaube mir â, aber wichtiger ist, dass es möglicherweise deine Talente erbt, und die braucht der Stamm.« Er seufzte. »Wir scheinen langsam auszusterben: Jedes Jahr werden weniger Kinder geboren und nur eine Handvoll von ihnen zeigt irgendein richtiges Talent. Menschen sterben, deren Verlust wir uns nicht leisten können â dein Vater, Kikuta Isamu â Isamu hatte überhaupt keine Kinder, dein Vater und ich jeweils nur eins ⦠Wir dürfen keine weiteren Kinder verlieren, jedes Blut vom Stamm muss erhalten werden. Also bekomme dieses Kind, bekomme weitere. Arai wird entzückt sein, ebenso der Stamm â solange du dich daran erinnerst, wem du Loyalität schuldest und wem das Kind letzten Endes gehört.«
»Ich bin glücklich«, sagte sie. »Ich möchte es wirklich haben.«
Einen Moment lang flackerte Zuneigung über sein Gesicht und machte es weicher. »Wann wird es geboren?«
»Zu Beginn des zehnten Monats.«
»Nun, gib auf dich Acht. Nach diesem Auftrag werde ich versuchen, nichts von dir zu verlangen, was zu schwierig ist. Nur das übliche Kopfkissengeplauder deines Kriegers, das dir offenbar nicht unangenehm ist!«
Shizuka nahm das Päckchen und steckte es in ihr Gewand. Dabei sagte sie: »Was ist mit Isamu passiert? Niemand spricht über ihn.«
»Er ist tot«, antwortete Kenji kurz. »Das ist alles, was ich weiÃ.«
Sie hörte aus seinem Ton, dass es keinen Sinn hatte, weiter in ihn zu dringen. Sie schob die Frage beiseite, doch sie vergaà sie nicht.
»Wo soll ich den Brief abgeben?«, fragte sie.
»Du kannst in Noguchi im Gasthaus bei der Brücke übernachten, das die Familie Kuroda führt. Kuroda Shintaro wird sich dort mit dir in Verbindung setzen. Gib den Brief keinem anderen als ihm. Da haben wir eine weitere schreckliche Verschwendung: Shintaro, der talentierteste Attentäter in den Drei Ländern, hat auch keine Kinder.«
Sie hätte ihn gern mehr gefragt, nach dem genauen Inhalt des Briefs, fand aber, dass es besser war, wenn sie nicht wusste, warum Iida Sadamu an Lord Noguchi schrieb oder was er ihm anbot. Sie würde ihrem Onkel gehorchen und den Brief wie angewiesen übergeben, aber sie musste an die Otoribrüder und ihren jungen Gefährten Mori Kiyoshige denken. Sie erinnerte sich an die unverhohlene Bewunderung in ihren Blicken und bedauerte sie.
»Wo wird diese Schlacht sein?«, fragte sie.
»Fast mit Sicherheit auf der Ebene von Yaegahara.«
KAPITEL 29Â
In diesem Jahr kam der Frühling spät in die Drei Länder, und als es endlich zu tauen begann, gab es groÃflächige Ãberschwemmungen, Flüsse traten über ihre Ufer, rissen ihre Brücken mit und behinderten Truppenbewegungen sowie die Verständigung zwischen Verbündeten.
Shigeru erfuhr die ersten Neuigkeiten, als Irie Masahide am Ende des dritten Monats aus dem Süden zurückkam. Irie brachte Moe aus ihrem Elternhaus mit, wo sie den Winter verbracht hatte. Er war ungewöhnlich optimistisch gestimmt, weil ihm Noguchi und die Yanagi, Moes Familie, fest ihre Unterstützung zugesichert hatten. Damit waren der Süden und der Westen geschützt.
Sobald es das Wetter erlaubte, erneuerte Shigeru seine Bemühungen, die Onkel aus dem Schloss zu entfernen. Er überredete seinen Vater, eine Art Exil über sie zu verhängen, sie aufs Land zu schicken und ihnen zu befehlen, sich jeder öffentlichen Aktivität zu enthalten. Zu seiner Ãberraschung reisten Shoichi, Masahiro und ihre Familien widerspruchslos in extravaganten Prozessionen ab, die von den Stadtbewohnern
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